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Sport: Von Gold zu Gold

Britta Steffen hat bei der Schwimm-EM vier Titel gewonnen – auch dank Trainer Norbert Warnatzsch Zum Abschluss siegte Britta Steffen auch über 50 m Freistil

Die letzte Bewegung war entscheidend. Niemand schlug besser an als Britta Steffen. Gold bedeutete das, Sieg über 50 Meter Freistil in 24,72 Sekunden, Einstellung des deutschen Rekords. Der vierte Titel der Britta Steffen aus Berlin bei dieser Schwimm-Europameisterschaft. Ein paar Minuten später schlug Steffen wieder punktgenau an, nur nützte das in diesem Moment nichts. Gold mit der 4-x-100-Meter-Freistil-Staffel ging gestern in Budapest an Großbritannien, die deutsche Mannschaft erreichte Silber. Noch eine Medaille für Steffen. Sogar ein fünftes Gold wäre drin gewesen, sagte sie. Sie hätte nur die erste Bahn etwas schneller schwimmen müssen. Aber da hielt sie sich noch etwas zurück, weil sie Angst hatte, dass ihr auf den letzten Metern die Kraft ausgehen würde. Egal. „Wenn mir jemand vor der EM gesagt hätte, dass ich hier vier Titel hole und Weltrekorde schwimme, hätte ich ihn gefragt, ob er mich verwechselt“, sagte sie.

Mit den Erfolgen setzt aber auch die Dopingdiskussion ein, das weiß die Berlinerin. Und deshalb „bin ich sofort bereit, alle meine Daten, Blutwerte und anderes offen zu legen. Ich will einen sauberen Sport, ich kämpfe gegen Doping“. Regine Eichhorn, die Managerin von Franziska van Almsick hatte ihr in einem Interview mit dem „Spiegel“ zu dieser Transparenz geraten. Schon Norbert Warnatzsch, Steffens Trainer, hatte verkündet: „Ich verbürge mich dafür, dass sie sauber ist.“

Warnatzsch hält nun bereits zwei aktuelle Weltrekorde. Am Mittwoch schwamm Steffen über 100 Meter Freistil zu einer neuen Weltbestzeit. Und er war ebenfalls in der sportlichen Verantwortung, als Franziska van Almsick bei der EM 2002 über 200 Meter Freistil ihren immer noch gültigen Weltrekord aufgestellt hatte.

Über van Almsick ist Warnatzsch eigentlich erst bekannt geworden. Er hat sie nach ihrer Olympiapleite in Sydney wieder übernommen. Mit van Almsick hat er große und bittere Momente erlebt. Der Weltrekord bei der EM 2002 bildete den emotionalen Höhepunkt. Die Olympischen Spiele 2004 in Athen, wo sie über 200 Meter Freistil nur auf Rang fünf landete, war der Tiefpunkt. Van Almsick brach heulend zusammen. Warnatzsch übernahm alle Verantwortung und sagte den Journalisten: „Alles ist meine Schuld. Franziska kann nichts dafür.“ Er zeigte Größe in diesem Moment. Obwohl van Almsick mindestens genauso viel Anteil an dem frustrierenden Ergebnis hatte wie er. Warnatzsch wollte sie im Frühjahr 2004 aus dem Training nehmen, weil sie erkältet war. Sie wiegelte ab. Ein Fehler im Nachhinein.

Warnatzsch wälzt Verantwortung nicht ab, viele Athleten schätzen das an ihm. „Britta Steffen hat ein fast schon herzliches Verhältnis zu ihm“, sagt Manfred Thiesmann, der Bundestrainer. Steffen darf den 59-Jährigen duzen, das ist sehr ungewöhnlich. „Norbert Warnatzsch ist ein sehr guter Trainer", sagt Örjan Madsen, der Chefcoach. „Er hat hier in Budapest eine sehr gute Ansprache.“ Madsen ließ Steffen in Ruhe, er wusste, sagt er, dass der Heimtrainer Warnatzsch seine Athletin genau richtig einstellt. Und Steffen schätzt Warnatzsch, weil er sie wieder aufgebaut hat nach ihrer einjährigen Auszeit.

Es gibt aber auch Athleten, die schätzen den 59-Jährigen nicht, die flüchten vor ihm. Mehrere Talente in Berlin haben sich geweigert, zu ihm zu wechseln, obwohl der Verband das eigentlich angeordnet hatte. Warnatzsch hat einen sehr rauen Ton, und nicht immer ist klar, ob das letztlich doch nur Spaß ist. „Er sagt häufig ziemlich barsch: Freundchen, das üben wir noch“, erzählt Thiesmann. Zu 99 Prozent sei das als Spaß gemeint. „Aber Außenstehende verstehen das oft nicht als Spaß.“

Andererseits ist Norbert Warnatzsch zweifellos erfolgreich. Von 1992 bis zum vergangenen Jahr war er Cheftrainer bei der SG Berlin-Neukölln. Seit 2005 ist er Cheftrainer aller Berliner Schwimmer, angestellt beim Olympiastützpunkt, bezahlt zum Teil vom Deutschen Schwimmverband. Ein Aufstieg, Lohn für seine Arbeit bei der SG Neukölln, für die Steffen immer noch schwimmt. In Neukölln hatte Warnatzsch optimale Bedingungen. Er hatte eine starke Trainingsgruppe mit vielen Spitzenschwimmern, darunter van Almsick. Neukölln ist stark Leistungssport orientiert, die Schwimmwartin Backhaus ist eine ehemalige Leistungsschwimmerin, ihre Kinder sind Schwimmer, Geld gibt es genügend, und es gibt ein leistungssporttaugliches Becken. Einige seiner Neuköllner Athleten hat Warnatzsch immer noch in seiner Trainingsgruppe, darunter auch Britta Steffen. Es hat sich also nicht allzu viel geändert.

Die ganz großen Veränderungen im Leben des Norbert Warnatzsch liegen sowieso eine Weile zurück. Nach der Wende gab es diese Brüche. Da stand Warnatzsch, der immerhin mal den Freistil-Spezialisten Jörg Woithe zu Olympiasieg und Weltmeistertitel geführt hat, erstmal im Abseits. Er war auch noch Major der Staatssicherheit, weil sein Klub Dynamo der Stasi unterstellt war, deshalb hat ihn kein Verband übernommen. Eine Dopingvergangenheit konnte ihm nie nachgewiesen werden. Warnatzsch ging als Teil eines kuriosen Koppelgeschäfts nach Indonesien. Ein deutscher Konzern hatte Erdölaufbereitungsanlagen an das Land verkauft, der Energieminister von Indonesien leitete auch den Schwimmverband und forderte als Teil des Deals einen deutschen Trainer. Warnatzsch erfuhr davon und ging nach Asien. Sein neues Team führte er bei den Südostasienspielen auf Rang eins. 1992 kam er dann zurück. Die SG Neukölln nahm ihn.

Seinem Verein ist er über einen kleinen Umweg immer noch verbunden: Seine Tochter arbeitet dort als Trainerin.

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