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Sport: Von Platz drei auf Wolke sieben

Der Ferrari-Pilot Kimi Räikkönen entreißt den McLaren-Fahrern Hamilton und Alonso noch den Titel

Ron Dennis hat in diesem Jahr einige Schläge einstecken müssen, aber am Sonntag in Sao Paulo stand er kurz vor dem Knockout. Mit Mühe bewahrte der Teamchef des Formel-1-Rennstalls McLaren-Mercedes die Fassung und hauchte: „In Situationen wie diesen muss man erst einmal in sich gehen. Wir müssen mit dieser Niederlage leben.“ Nach dem wegen der Spionageaffäre aberkannten Konstrukteurstitel schafften es Lewis Hamilton und Fernando Alonso, die beiden favorisierten Fahrer seines Rennstalls, auch nicht, den Einzeltitel einzufahren. Stattdessen holte der als Außenseiter ins Rennen gegangene Kimi Räikkönen nach einem dramatischen Saisonfinale die Weltmeisterschaft ins Ferrari-Lager – mit einem Punkt Vorsprung vor dem punktgleichen McLaren-Duo, das auf Rang drei (Alonso) beziehungsweise sieben (Hamilton) ins Ziel kam. Angesichts dieses unerwarteten Triumphs huschte dem finnischen Schweiger sogar ein Lächeln übers Gesicht: „Heute und wahrscheinlich im ganzen Monat werde ich auf Wolke sieben schweben.“

Eher in niederen Gefilden spielte sich dagegen die Gefühlswelt von Lewis Hamilton ab. Der britische Senkrechtstarter war als Führender und Favorit in den Showdown gegangen und stand am Ende nach fahrerischen und technischen Aussetzern doch mit leeren Händen da. „Jeder hatte seine Portion Pech in diesem Jahr, es ist nur unglücklich, dass ich meine in den letzten paar Rennen abbekam“, sagte er. „Es waren ein paar schwierige Rennen, aber ich denke nicht, dass mir der Titel gestohlen wurde – Kimi und Ferrari haben einen fantastischen Job gemacht. Wir werden es nächstes Jahr wieder probieren.“ Dass es nicht schon in seiner Debütsaison geklappt hat, daran war er selbst freilich nicht ganz unschuldig. Nach seinem Fauxpas beim Rennen in Schanghai vergab der McLaren-Pilot auch seinen zweiten Matchball. „Wir brauchten heute ein bisschen Hilfe, und wir haben sie bekommen“, sagte Räikkönen.

Im WM-Duell ging natürlich alles andere völlig unter: der tolle vierte Platz von Nico Rosberg, der im Williams eines seiner stärksten Saisonrennen fuhr, die Freude bei BMW über die Plätze fünf und sechs für Robert Kubica und Nick Heidfeld und auch Ralf Schumachers 11. Rang in seinem letzten Rennen für Toyota.

Unter Sonnenschirmen hatten die drei Titelkandidaten vor dem Rennen Zuflucht vor der Hitze in Brasilien gesucht – Hamilton nahm noch seinen Vater Anthony mit dazu, der ihn auf das Finale einschwor. Doch der 22 Jahre alte Brite, von vielen schon als jüngster Formel-1-Weltmeister gefeiert, war es, der unter der sengenden Sonne von Sao Paulo schon kurz nach dem Start die Coolness verlor.

Praktisch zu dritt nebeneinander bogen die Titelfavoriten in die erste Kurve ein. Räikkönen schoss mit einem Blitzstart an Hamilton vorbei auf Rang zwei hinter seinem Teamkollegen Felipe Massa. Hamilton ließ sich nicht nur von Räikkönen, sondern auch von Alonso überrumpeln. Der Brite versuchte nach der folgenden Geraden zu kontern, verbremste sich jedoch und rutschte von der Strecke und auf Rang acht. Hamilton kämpfte sich zwar an Toyota-Pilot Jarno Trulli und Heidfeld vorbei wieder in Reichweite des Titels auf Rang sechs. Doch dann folgte der nächste Schock für den jungen Briten.

In der achten Runde wurde Hamiltons Auto plötzlich langsamer. „Das Getriebe war im neutralen Gang stecken geblieben“, berichtete McLaren-Teamchef Dennis später. Erst nach quälend langen Sekunden funktionierte der McLaren wieder – Hamilton war inzwischen bis auf Rang 18 zurückgefallen. Er startete eine furiose Aufholjagd und arbeitete sich innerhalb weniger Runden bis auf Platz elf vor. Doch zum Titelgewinn musste er mindestens den fünften Platz erreichen.

Sein Chef Ron Dennis ging schließlich volles Risiko. Er stellte auf eine Drei- Stopp-Taktik um und schickte seinen Ziehsohn mit superweichen Reifen und wenig Sprit zu einem kurzen Zwischenabschnitt wieder auf die Strecke, um die verlorenen Plätze gutmachen zu können.

Doch es war nicht der Tag für McLaren-Mercedes. Während Hamiltons Aufholjagd auf Platz sieben endete, musste Alonso weiter vorn die Ferrari ziehen lassen. Zwar durfte sich der spanische Titelverteidiger zu diesem Zeitpunkt als Drittplatzierter theoretisch als Weltmeister fühlen, doch der Schein trog.

21 Runden vor Schluss war es dann soweit: Der bis dahin führende Massa bog zum zweiten Mal in die Box ab, während sein Teamkollege Räikkönen drei schnelle Runden vor seinem Halt drehte und dadurch anschließend wie vorgesehen die Führung übernahm. „Ich wusste von vornherein, dass es sehr schwierig werden würde“, sagte Alonso. „Ich konnte nicht mit den Ferrari mithalten und habe einfach meinen dritten Platz gehalten und darauf gehofft, dass irgendetwas passiert.“ Die beiden Ferrari aber brachten den Doppelsieg über die Runden. Doch „erst als Lewis als Siebter im Ziel war“, erzählte Räikkönen und lächelte noch einmal, „da war mir endgültig klar: Jetzt bist du Weltmeister.“

Und noch nicht einmal da durfte er sich sicher sein. Nach dem Rennen lief bis in die späten Abendstunden noch eine Untersuchung gegen einen möglichen Regelverstoß bei BMW – im Falle einer Disqualifikation beider Autos wäre – jawohl – Lewis Hamilton Weltmeister am Grünen Tisch. Es war der passende Schlussakt einer unglaublichen Saison.

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