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Sport: Von Sing-Sing in den Ring

Die ungewöhnliche Karriere des Boxprofis Jameel McCline

Las Vegas. Der Bursche hat etwas von Sonny Liston. Jameel McCline ist ein Koloss, sieht zum Fürchten aus und kommt aus dem Knast. Der Hüne misst 1,98 Meter und wiegt 118 Kilo. Noch nie in ihren zusammen 73 Kämpfen hatte es einer der Klitschko-Brüder mit so einem Ungetüm zu tun. Können und Courage Wladimirs stehen in der Nacht zum Sonntag (4 Uhr MEZ/ZDF live) im Mandalay Bay Casino von Las Vegas auf dem Prüfstand, wenn der jüngere Klitschko (zwei Meter, 111 Kilo) seinen WBO-Titel im Schwergewicht gegen den Amerikaner verteidigt.

Doch anders als der einstige Weltmeister Liston und so manch anderer Kollege hat McCline das Boxen nicht hinter Gittern gelernt, sondern erst nach seiner Entlassung. Mit 18 Jahren war er wegen Hehlerei mit Waffen verurteilt worden. Fünf Jahre verbüßte er in so berüchtigten Haftanstalten wie Sing-Sing und Attica, darunter 14 Monate in Einzelhaft. „Das hat mich hart gemacht", sagt der Schwergewichtler aus New Jersey. Heute ist er verheiratet. Seine Frau Tina erwartet in zwei Monaten ihr erstes Kind.

Boxen lernte McCline mit 25 Jahren, in einem Alter, in dem Wladimir Klitschko bereits Champion war. Nach nur einem Amateurkampf (K.-o.-Sieg erste Runde) wurde der Novize 1995 Profi. Der Einstieg des Spätstarters war verheerend. Im zweiten Auftritt ging der ungehobelte Klotz in der ersten Runde K. o. Nach zwei Niederlagen, einem Unentschieden und nur zwei Siegen in den ersten fünf Kämpfen schlug sich McCline später als Gelegenheitsfighter und Sparringspartner der etablierten Schwergewichtler durchs Boxerleben. Er war wegen seiner gigantischen Figur als Lewis-Kopie gefragt, diente auch dem Kroaten Zeljko Mavrovic vor dessen WM-Kampf, später auch dem Champion selbst als Trainingsgehilfe. „Es gab keinen, der zwischen 1995 und 2000 im Schwergewicht etwas galt, mit dem ich nicht trainiert habe. Dieses Sparring war meine Amateurzeit", sagt McCline.

Mit einem Schlag brachte er sich ins Rampenlicht. Als Aufbaugegner für Michael Grant nach dessen schwerem K. o. gegen Lennox Lewis schmetterte McCline, kaum dass der erste Gong verklungen war, Grant einen linken Haken ans Kinn. Der Zwei-Meter-Mann fiel um und brach sich beim Sturz auch noch den Knöchel. Ganze 43 Sekunden hatte es am 21. Juli 2001 in Las Vegas gedauert, um Jameel McCline in der Szene zum Begriff zu machen. Auf die Börse von 1,1 Millionen Dollar, die der übertragende Pay-TV-Sender HBO für die Verpflichtung des farbigen Amerikaners bezahlte, musste Klitschkos Promoter Klaus-Peter Kohl deshalb auch reichlich drauflegen.

„Ich habe spät angefangen. Aber nicht zu spät. Mein Traum wird jetzt wahr. Ich werde den WM-Gürtel in den Händen halten“, sagt McCline.

Hartmut Scherzer

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