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Vom Alleinunterhalter zum Mannschaftsdiener. Ronaldo hilft seinem Team in dieser Saison viel mehr als in der vergangenen.

© dapd

Vor dem Classico Real - Barca: Der Zirkus zähmt sich selbst

Real Madrid geht als Tabellenführer favorisiert in das Duell mit dem FC Barcelona – weil José Mourinho sich und das Team derzeit im Griff hat. Doch bleibt das beim Classico am Samstag auch so?

José Mourinho ist ein Chamäleon. Oder ein Wolf, der sich an einem großen Stück Kreide zu schaffen gemacht hat. Spätestens aber, wenn am Samstag das Spiel zwischen Real Madrid und dem FC Barcelona beginnt (22 Uhr, live im Internet unter www.laola1.tv), wird der zur Zeit überraschend zahme Portugiese sein wahres Gesicht zeigen. Dann könnte der Trainer von Real Madrid wieder provozieren, gestikulieren, Tumulte anzetteln und auch nicht davor zurückschrecken, irgendjemandem seinen Finger ins Auge zu bohren. Davon jedenfalls sind Teile der Fans und der Sportpresse in Barcelona überzeugt. Schließlich habe er in der Vergangenheit bewiesen, dass er zu all dem fähig ist.

Vielleicht ist da was dran, vielleicht aber auch nicht. Einen Tag vor dem siebten Aufeinandertreffen der beiden glamourösesten Fußballklubs der Welt in diesem Kalenderjahr ist es verhältnismäßig ruhig um José Mourinho. Der 48-Jährige, sonst für seine Lust am Streiten bekannt, hält sich zurück und erschien am Freitag lieber nicht zur Pressekonferenz. Sonst nutzt er das Podium gern, um sich abfällig oder provozierend über den Rivalen zu äußern. Die Ruhe hat einen Grund: Mourinhos Team befindet sich seit Wochen in Topform, zum ersten Mal seit langer Zeit geht der spanische Rekordmeister am Sonnabend als Favorit in das Duell.

Dabei hat Mourinho kaum etwas geändert im Vergleich zum Vorjahr, es ist nur so, dass die Spieler nach einer Saison des Aneinandergewöhnens verstehen, was ihr Trainer von ihnen verlangt. Am besten ist diese Entwicklung an Cristiano Ronaldo zu beobachten. Der Angreifer spielt in dieser Saison deutlich mannschaftsdienlicher, reduziert seine Zirkustricks auf ein Minimum und hilft wenn nötig sogar in der Defensive mit. Seiner Torgefahr tat diese Veränderung keinen Abbruch, in Champions League und Liga bringt er es bisher auf 20 Tore. In der vergangenen Spielzeit konnte Real trotz 40 Ligatreffern von Ronaldo die Primera Division nicht gewinnen. Meister wurde der FC Barcelona, der auch in der Champions League triumphierte und nicht erst seit diesem Triumph als die Referenz im Weltfußball gilt. Real siegte nur im spanischen Pokal. Dass man Barcelona im Finale bezwingen konnte, blieb nur ein kleiner Trost für das 0:5-Debakel in der Liga und das Ausscheiden in der Champions League gegen die Katalanen.

Nach dieser Enttäuschung verstärkte Mourinho sein Team im Sommer. Aber weder der 30 Millionen Euro teure Außenverteidiger Fabio Coentrao noch der ehemalige Dortmunder Nuri Sahin oder Hamit Altintop, die beide anfangs verletzt fehlten, konnten bisher ihren Teil zum Madrider Aufschwung beitragen. Stattdessen überzeugt seit Wochen der von Mourinho lange verschmähte Karim Benzema im Angriff. „Weil er jetzt macht, was ich sage“, erklärt Mourinho. Real wirkt inzwischen gefestigt, das 0:1 bei Levante im September ist bisher die einzige Niederlage. Seitdem gab es 15 Pflichtspielsiege hintereinander. „Wir haben jetzt mehr Selbstvertrauen und sind eine bessere Mannschaft“, sagt der Trainer.

Momentan liegt das Team mit den deutschen Nationalspielern Sami Khedira und Mesut Özil drei Punkte vor Barcelona auf Platz eins der Tabelle, in der Champions League hat es locker das Achtelfinale erreicht. Aber selbst nach dem 3:0 bei Ajax Amsterdam am Mittwoch wollte bei Mourinho keine Euphorie aufkommen. „Wenn meine Erinnerung richtig ist, haben wir in der vergangenen Saison auch bei Ajax gewonnen und dann zwei Tage später gegen Barcelona verloren.“

Bei einem Sieg an diesem Sonnabend würde der Vorsprung in der Liga auf sechs Zähler anwachsen. Dazu hat Real ein Spiel weniger ausgetragen als Barcelona. Gewinnt Real auch diese Partie, würde der Vorsprung neun Punkte betragen. Madrid wäre der Titel dann nur noch theoretisch zu nehmen. In den vergangenen Jahren konnte keine Mannschaft einen so großen Vorsprung aufholen. Vergangene Saison verlor Barca nur zwei Spiele und wurde am Ende trotzdem nur mit vier Punkten Vorsprung Meister vor Real.

Dass Madrid den Abstand inzwischen verkürzt hat, war bereits im August zu beobachten. Im spanischen Super-Cup ging es gegen den FC Barcelona, am Ende setzten sich die Katalanen nur mit viel Mühe durch. In der Schlussphase des Rückspiels grätschte Madrids Marcelo seinen Gegenspieler Cesc Fabregas brutal um, am Spielfeldrand nutzte Mourinho das Durcheinander, um Barcelonas Kotrainer Tito Vilanova einen Finger ins Auge zu stechen. Vom spanischen Verband wurde Mourinho daraufhin für zwei Super-Cup-Spiele gesperrt. Seitdem ist es ruhig um ihn geworden. Seltsam ruhig.

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