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Heitere Aussichten? Bastian Schweinsteiger, hier beim öffentlichen Training der Nationalmannschaft am Montag nach der Ankunft in Danzig, könnte das Auftaktspiel gegen Portugal verpassen.

© dpa

Vor dem EM-Start: Die letzten Fragen für Joachim Löw

Am Samstag startet die Nationalelf gegen Portugal in die Europameisterschaft. Was Bundestrainer Joachim Löw noch klären muss, bevor das Turnier für seine Mannschaft beginnt.

An Annehmlichkeiten wird es der deutschen Nationalmannschaft in den nächsten Wochen wohl nicht fehlen. Am Montagnachmittag hat das Team sein Quartier an der polnischen Ostseeküste bezogen, einen modernisierten Gutshof aus dem 17. Jahrhundert. Das Hotel Dwor Oliwski, das der Deutsche Fußball-Bund exklusiv für sein Vorzeigeteam gebucht hat, liegt im sogenannten Tal der Freude im Danziger Stadtteil Oliwa. Für Bundestrainer Joachim Löw aber hält die Woche noch einige unerfreuliche Entscheidungen bereit. In vier Tagen bestreiten die Deutschen gegen Portugal ihr erstes EM-Spiel. Bis dahin muss Löw noch vier Fragen beantworten, die neuralgische Punkte in seiner Mannschaft betreffen.

Wer bildet die Innenverteidigung?

Im Grunde verfügt der Bundestrainer für die Besetzung der Innenverteidigung über eine fast unbegrenzte Zahl an Möglichkeiten. Unter den sieben Abwehrspielern in seinem EM-Aufgebot finden sich fünf gelernte Innenverteidiger; da Benedikt Höwedes und Jerome Boateng jedoch eher für die Außenpositionen vorgesehen sind, reduziert sich die Zahl der aussichtsreichen Kandidaten auf drei: Holger Badstuber, Per Mertesacker und Mats Hummels. „Alle drei haben sehr gutes Innenverteidigerniveau, sie sind auf dem höchsten Level, das man international erreichen kann“, sagt Löw. „Und alle sind in der Lage, miteinander zu spielen.“ So weit die Theorie. Die Praxis hat gezeigt, dass Badstuber bei Löw gesetzt ist. Der Münchner stand in acht von zehn EM-Qualifikationsspielen in der Startelf und hat damit von allen Bewerbern die beste Einsatzquote. Die Frage lautet daher: Wer darf während der Europameisterschaft neben Badstuber verteidigen? Die Antwort: Wenn es irgendwie geht, Per Mertesacker. „Er genießt enorm großes Vertrauen, weil er uns eigentlich immer zufrieden gestellt hat“, sagt Löw. Allerdings gibt es noch Restzweifel an der Wettkampffitness Mertesackers, der wegen einer Sprunggelenksverletzung seit Februar ausgefallen ist. Sein interner Konkurrent Hummels gilt vielen als bester Innenverteidiger der Bundesliga – nur Joachim Löw leistet sich in dieser Frage immer noch eine abweichende Meinung. Er ist von den Dortmundern im Allgemeinen und Hummels im Besonderen noch nicht restlos überzeugt. „Die Dortmunder Spieler sind national sehr, sehr stark, sie sind im Kommen“, hat der Bundestrainer jetzt der Deutschen Presse-Agentur gesagt. Aber eine EM habe ein anderes Niveau als die Bundesliga. „Wir spielen – bei allem Respekt – nicht gegen Hoffenheim, Nürnberg und so weiter.“

Der deutsche EM-Kader in unserer Bildergalerie:

Auf welcher Seite verteidigt Philipp Lahm?

Am Donnerstag gegen Israel, im letzten Test vor der EM, hat Lahm links in der Viererkette gespielt, aber Joachim Löw hat schon Tage vorher gesagt, dass dies noch keinen Rückschluss für die Begegnung gegen Portugal zulasse. Der allgemeine Tenor lautet im Moment, dass Lahm, wie schon während der Rückrunde bei den Bayern, wieder auf der rechten Seite verteidigen wird. Das hätte im Spiel gegen die Portugiesen den Vorteil, dass Cristiano Ronaldo auf einen ebenbürtigen Gegner stieße, an dem er schon im Champions-League-Halbfinale mit Real Madrid verzweifelt ist. Vermutlich wird es trotzdem anders kommen. „Nicht nur Ronaldo ist sehr gefährlich und schnell, sondern auch andere Spieler wie Nani“, sagt Löw. Natürlich weiß auch der Bundestrainer, dass Portugals Spiel in hohem Maße von Ronaldo abhängt. Doch Löw wird dessen Einfluss nicht dadurch zu beschränken versuchen, dass er ihm einen möglichst starken Gegenspieler auf den Hals hetzt; er wird es vielmehr darauf anlegen, schon im Mittelfeld die Nachschubwege auf Ronaldo zu blockieren. Ob den Rest dann Philipp Lahm oder Jerome Boateng erledigen, ist im Grunde egal. Außerdem treffen die Deutschen im zweiten Gruppenspiel auf Holland. Nach der allgemeinen Logik müsste Lahm dann von rechts nach links wechseln, weil Arjen Robben über die linke Seite der Deutschen kommt. Ein solches Wechselspiel aber hat Joachim Löw für seinen Kapitän bereits definitiv ausgeschlossen.

Wer soll im Mittelfeld spielen und wer ist im Sturm gesetzt?

Ist Bastian Schweinsteiger fit für Portugal?

Die gute Nachricht hat der Bundestrainer gleich nach dem Testspiel gegen Israel verkündet: Bastian Schweinsteiger verspürt keine Schmerzen in der Wade mehr. Am Montag trainierte der Mittelfeldspieler der Bayern nach der Ankunft in Danzig zum ersten Mal wieder mit der Mannschaft. Dass Schweinsteiger schmerzfrei ist, heißt aber noch lange nicht, dass er bereits die nötige Fitness für eine Europameisterschaft besitzt. Es gibt zwar kaum einen deutschen Spieler, den die Portugiesen mehr fürchten als Schweinsteiger, sein Einsatz am Samstag beim EM-Auftakt der Nationalmannschaft muss trotzdem als eher fraglich gelten. Der Münchner hat wegen des Blutergusses in der Wade, den er sich im Finale der Champions League zugezogen hat, fast eine komplette Woche verloren. In dieser Zeit hätte er eigentlich seine körperlichen Defizite aufholen sollen, die im Laufe der Saison entstanden sind. Schweinsteiger hat zweimal mehrere Wochen gefehlt, einmal wegen eines Schlüsselbeinbruchs, beim zweiten Mal wegen einer Verletzung am Sprunggelenk. Am Ende der Saison war deutlich zu sehen, dass ihm die athletischen Voraussetzungen für seine Rolle als defensiver Stabilisator fehlen. Das Spiel gegen Portugal kommt daher für ihn noch zu früh.

Wer ist die Nummer eins im Sturm?

Gegen Israel hat Mario Gomez ein typisches Mario-Gomez-Tor geschossen. Er kam im gegnerischen Strafraum an den Ball und löffelte den Ball, trotz Bedrängnis, mit großer Wucht unter die Latte. Der Stürmer der Bayern mag in seinen Bewegungen manchmal etwas hölzern wirken, seine Tore besitzen trotzdem eine ganz eigene Ästhetik: Sie haben etwas Unwiderstehliches. Gomez ist als Stürmer eine Wucht, er war in dieser Saison zum vierten Mal in den vergangen fünf Jahren der beste deutsche Torschütze der Bundesliga – hinter den sieben Bergen aber gibt es einen, den der Bundestrainer für noch besser hält, zumindest für noch wertvoller. Im Nationalteam ist Gomez nie an Miroslav Klose vorbeigekommen. „Er ist einfach ein spielstarker Stürmer, der Tore vorbereitet, der andere in Szene setzt und der auch in seinem Alter auf einem unglaublich hohen Niveau spielen kann“, sagt Löw über Klose. Der Angreifer von Lazio Rom, der am Samstag 34 wird, passt besser in den Löw'schen Kombinationsfußball als der Strafraumstürmer Gomez. So eng wie in diesem Jahr aber ist es in dieser teaminternen Ausscheidung um den Platz in der Spitze noch nie zugegangen. Das liegt auch daran, dass Klose in der Rückrunde mehrere Wochen lang verletzt ausgefallen ist und sein Fitnesszustand noch nicht höchsten Ansprüchen genügt. Vielleicht gibt es deshalb bei der Europameisterschaft gar keine klare Nummer eins im Sturm, sondern ein Wechselspiel zweier nahezu gleichstarker Kandidaten.

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