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Holt die ollen Kutten raus, hier kommt Hertha - hier auwärts in Dresden.

© Kai-Uwe Heinrich

Vor dem Pokal-Halbfinale gegen Borussia Dortmund: Mensch, Hertha, weeßte noch - damals?!

Die Hertha-Fans sind ganz schön aufgekratzt, kann schließlich eine dolle Woche werden, nicht wahr? Eine kleine Fan-Bilanz mit Blick aufs DFB-Pokalspiel.

Neulich in Kreuzberg, kleiner Kantinenplausch unter Hertha-Fans. Schnitzel auf dem Teller, Fußball im Kopf.

- Der DFB-Pokal und Hertha – wir sind ja nicht so dicke Kumpels. Hertha fliegt da schneller raus als die Geißens aus dem Berghain.

- Stimmt. Verloren gegen Wuppertal, Koblenz, Kiel … gibt’s eigentlich auch schöne Pokalerinnerungen? Also solche, die nicht im Heinz-Rühmann-Zeitalter spielen?

- 1993 gegen Chemnitz! Volle Hütte, irres Pokalspiel der Hertha-Amateure. Ach, und in der Halbzeit sang Frank Zander erstmals sein Lied: „Nur nach Hause gehen wir nicht.“ Mensch, herrlich. Weeßte noch?

Deutscher Meister? Och, ist ja doch zwei, drei Jahre her

1993 also. Als es noch Fünf-Mark-Münzen gab, Eberhard Diepgen die Stadt regierte und die Flughafenbaustelle am BER noch nicht in Betrieb war, obwohl es die ja nun seit einer Ewigkeit gibt.

Mit Hertha und dem DFB-Pokal ist es nämlich so: Nur nach Hause gehen wir nicht. Denn wenn im begrünten Innenhof des Hauses – dem Olympiastadion – das Pokalfinale ausgetragen wird, ist jute, alte Hertha nicht mehr dabei.

Und jetzt steht Hertha plötzlich im Halbfinale. 77.000 Fans, dolle Schwarzmarktpreise, bester Tresentalk seit Wochen. Und dazu ein Gegner, der in Liverpool bös’ unter die Räder gekommen ist und auch in Berlin … ach, lassen wir das.

Obwohl, vielleicht, mit Glück?

Im Hertha-Land, das von Rudow bis Reinickendorf reicht und vom Havelland bis Prenzlauer Berg, das in Laubenkolonien und Eckpinten spielt, das nie hip, aber ganz schön hibbelig ist, gibt es vor diesem Abend eine tiefe Sehnsucht: dass die große Hertha einmal im eigenen Stadion im Finale steht. Und vielleicht einmal, dieses eine Mal, irgendwas gewinnt, damit man nicht immer die ollen Kamellen erzählen muss vom Meistertitel 1930 und 1931 und mehr im Vitrinenschrank steht als der pompös-wertlose „Bodenseecup“ (wobei das auch gut und gerne der Zell-am-See-Cup gewesen sein kann, wie Leser anmerken, der allerdings genauso eine, hust!, große Nummer ist).

Weeßte noch, damals im April 2016?

Vielleicht, mit etwas Glück, wird dieses Spiel gegen die Schwarz-Gelben eine Nacht der Kategorie: Mensch, weeßte noch – damals im April Zwosechzehn?

Ja, auch Hertha hat große Abende erlebt, legendäre Spiele, die sich in das Fanhirn eingebrannt haben. 1997 der erlösende Sieg gegen Kaiserslautern: Hertha war bis dahin ein schrulliger Zweitligist, so beliebt in der Stadt, wie Nieselregen an kalten Herbsttagen. Und dann wollten alle ins Stadion an diesem einen Abend, der ein ganz besonderer werden sollte, nicht nur wegen des Zweitligazuschauerrekords von 75.000 Leuten. Axel Kruse traf, und die Fans heulten. Hertha und damit Berlin stieg auf.

Mensch, weeßte noch?

Große Güte, die Pokalpleite gegen TeBe 1998 ...

Unglücklicherweise hat Hertha auch ganz schön viele Spiele dieser Kategorie versemmelt, etwa 1998 gegen den kleinen Nachbarn Tennis Borussia, natürlich im DFB-Pokal (was ähnlich einprägsam war wie jene Niederlage gegen den anderen Berliner Nachbarn vom Wuhleufer, aber das tut hier nicht zur Sache).

Kategorie: Ach, höre bloß uff!

In diesem unhippen Hertha-Land zwischen Gartenzwerg und Engelhardt spielt Herthas Trainer Pal Dardai eine zentrale Rolle. Der futtert in seiner Freizeit gern mal Schweinehälften, fährt mit seinem Rasenmäher über den Vorstadtrasen („Immer dienstags und freitags. Die Nachbarn denken wahrscheinlich, ich bin nicht ganz richtig im Kopf“) und am Wochenende geht’s auf den Fußballplatz. Natürlich stilecht im Trainingsanzug. Ein echter Berliner, der Mann – seit 1997.

Champions League - gehört Hertha da hin?

Pal Dardai ist der ideale Trainer für diesen piefig-kernigen Klub, der gern ’ne große Nummer wäre und doch prima zu einer Stadt passt, die Michael Müller regiert. Dardai war bei allen Weeßte-noch-Spielen dabei. Gegen TeBe, gegen Union, gegen Kaiserslautern und auch beim legendären „Nebelspiel“ 1999 gegen den FC Barcelona. Das war nicht gut oder schlecht, sondern unfassbar ulkig, weil an diesem Champions-League-Abend eine dicke Regenwolke über dem Rasen parkte und die Fans das andere Tor nicht sahen. Hat Pal Dardai überhaupt mitgespielt?

Der Mann kennt die Berliner Sehnsucht. Erinnert sei nur an seine ersten acht Worte vor der Saison, als alle Hertha für einen Absteiger gehalten haben und ihn für völlig bekloppt, als er in seinem ungarischen Frohsinn sagte: „Ich will als Finalist in Berlin dabei sein.“ Ja, man müsse das Endspiel gar nicht mal gewinnen. „Ich wohne seit Jahren mit meiner Familie in Westend, und am Finaltag spazieren wir immer über das Gelände am Olympiastadion und sehen beim Finale zu“, sagt Dardai, „das ärgert mich.“

Zu ärgern gab’s in dieser Saison wenig, das fällt sogar dem notorisch meckernden Hertha-Fan schwer. Hertha steht trotz der Niederlage in Hoffenheim ziemlich weit oben, schöne Sache, aber wenn’s nicht die Champions League wird – na, dann halt nicht.

Hertha steht längst im Pokalfinale

Die herrlichen Europapokal-Gesänge im Stadion meint doch niemand ernst, ein anderes Lied schon. Es geht so, nach der Melodie von Mendocino: „Pokalfinale, Pokalfinale / Wir träumen jedes Jahr vom Pokalfinale / stürmt doch mal vor, schießt noch ein Tor / und erfüllt uns unsern Traum vom Pokalfinale.“

Tja, und wenn nicht? Wenn Hertha einen miesen Tag erwischt und ausscheidet? Ach, dann ist’s einfach: schade. Dann geht’s halt ein paar Stunden früher zum Olympiastadion. Nebenan tritt am Mittag Herthas A-Jugend im Pokalfinale an. Ist ja auch nicht so schlecht.

Der Autor ist stellvertretender Ressortleiter des Berlin-Teils des Tagesspiegels und besucht seit 1989 die Spiele von Hertha BSC.

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