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Internationale Härte. Im bisher letzten Europapokalspiel bekamen es Hertha und Adrian Ramos (vorne) vor sechs Jahren unter anderem mit David Luiz zu tun.

© imago sportfotodienst

Vor dem Spiel gegen Bayern München: Hertha BSC: Noch ein Sieg bis Europa

Nach dem Scheitern im DFB-Pokal hat Hertha BSC das nächste Ziel vor Augen: Die Mannschaft steht kurz vor der Rückkehr in den Europapokal.

Vermutlich besaßen die Spieler von Hertha BSC am Ende des enttäuschenden Abends gar kein Ohr mehr für die aufmunternde Botschaft aus der Kurve. Als sie sich nach der Halbfinal-Niederlage gegen Borussia Dortmund ihren Fans näherten, wurde in der Kurve fleißig angesungen gegen den Frust, und besonders laut wurde es bei der Passage „… wir spielen im Europacup …“. Fußballfans reagieren auf Enttäuschungen gerne mal mit einem Ausflug ins Sarkastische, aber das war tatsächlich ernst gemeint. Hertha hat am Mittwochabend ein großes Ziel verpasst. Aber nach dem Ziel ist vor dem Ziel: In den letzten vier Bundesligaspielen geht es für Hertha jetzt darum, sich erstmals seit der Saison 2009/10 wieder für den Europapokal zu qualifizieren. „Ich werde dafür kämpfen, dass wir nächstes Jahr wenigstens Europa League spielen, wenn möglich Champions League“, sagte Trainer Pal Dardai.

Da die Pokalfinalisten Bayern und Dortmund bereits für die Champions League qualifiziert sind, reicht schon Platz sieben für die Europa League. Das heißt: Hertha braucht noch einen Sieg, um letzte theoretische Zweifel zu beseitigen. Selbst bei einer Heimniederlage gegen die Bayern (15.30 Uhr), könnte es schon heute so weit sein – falls Ingolstadt und Wolfsburg gleichzeitig verlieren. Für die Berliner ist das trotzdem kein Grund, die Saison austrudeln zu lassen. Es würde einen großen Unterschied ausmachen, ob sie Sechster oder Siebter werden – und es wäre ein noch viel größerer Unterschied, sollte Hertha Platz vier behaupten. „Wenn wir schon da oben stehen, versuchen wir auch, das zu verteidigen“, sagt Dardai. Platz drei und damit die direkte Qualifikation für die Champions League halten sie aber offenbar selbst bei Hertha nach den zuletzt trägen Auftritten und angesichts des schneidigen Restprogramms für unrealistisch.

Ihren bisher letzten Europapokalauftritt hatten die Berliner 2010

Als Vierter würde sich den Berlinern zumindest noch die Chance eröffnen, über die Play-offs in die Champions League einzuziehen. Finanziell wäre das für Hertha nahezu unbezahlbar. Mit rund 30 Millionen Euro könnte der Klub kalkulieren; in der Europa League müsste es schon extrem gut laufen, wenn man ein Drittel davon einnähme. Allerdings bekäme es Hertha in den Play-offs als mutmaßlich ungesetztes Team mit einem gewaltigen Gegner zu tun. Nach derzeitigem Stand könnten das der FC Porto, Manchester City, Villarreal, der AS Rom oder der Europa-League-Sieger sein, also zum Beispiel Liverpool oder Sevilla. Als Verlierer wäre Hertha immerhin für die Gruppenphase der Europa League qualifiziert. Das gilt auch, wenn die Mannschaft die Bundesliga-Saison als Fünfter oder Sechster beendet. Richtig unbequem würde es bei Platz sieben. Dann müsste Hertha schon in der dritten Qualifikationsrunde ran – Hinspiel am 28. Juli, drei Wochen vor dem eigentlichen Pflichtspielauftakt im DFB-Pokal.

Ihren bisher letzten Europapokalauftritt hatten die Berliner am 23. Februar 2010. In der Zwischenrunde der Europa League verloren sie bei Benfica Lissabon – unter anderem mit Angel di Maria und David Luiz – mit 0:4. Pal Dardai, heute Herthas Trainer, saß damals 90 Minuten auf Bank, genauso wie Fabian Lustenberger, heute Herthas Kapitän. Als die Mannschaft ein paar Monate später in die Zweite Liga abstieg, war absehbar, dass es für lange Zeit das letzte internationale Spiel bleiben würde. Dank Herthas überraschend erfolgreicher Saison ging es jetzt sogar ein bisschen schneller als von vielen erhofft. Die Berliner sind trotzdem sicher nicht in der Situation zu sagen: Champions League oder nix!

Dennoch graut es einigen vor der Europa League mit überschaubar attraktiven Spielen donnerstags um neun im spärlich besetzten Olympiastadion. Dardai teilt diese Meinung nicht. „In der Europa League gibt es auch sehr gute attraktive Gegner. Das muss man auch genießen“, sagt er. „Und egal welcher Wettbewerb, es ist erst einmal gut für den Verein.“ Weil Hertha im Fernsehen zu sehen sei, man über den Klub rede und weil „wir unsere jungen Spieler aus der Akademie besser einbauen“ könnten. „Internationale Erfahrung ist immer schön und gut.“ Allerdings weiß Dardai auch, dass Teams, die es überraschend in den Europapokal geschafft haben, die Teilnahme mit dem Absturz in der Liga teuer bezahlt haben, bis hin zum Abstieg wie beim SC Freiburg in der vorigen Saison.

Darida, Brooks, Skjelbred und Haraguchi fehlen

Für Hertha wäre die Doppelbelastung eine ungewohnte Erfahrung, „das konnte man in dieser Saison auch merken“, sagt Manager Michael Preetz. „Wenn wir alle drei Tage spielen mussten, haben wir uns deutlich schwerer getan.“ Nach den fünf englischen Wochen dieser Saison haben die Berliner drei Niederlagen kassiert und nur einmal gewonnen. Gegen die Bayern am Samstag lässt das nichts Gutes befürchten. Obwohl oder weil die Mannschaft deutlich anders aussehen wird als noch am Mittwoch gegen Dortmund. Neben Vladimir Darida fallen auch John Anthony Brooks (wieder Probleme mit dem Schienbeinköpfchen), Per Skjelbred und Genki Haraguchi (beide erkältet) aus. Der Einsatz von Torhüter Rune Jarstein, der sich im Pokal eine schwere Beckenprellung zugezogen hat, ist fraglich.

Die Qualifikation für den Europapokal würde laut Manager Preetz einerseits einen Zugewinn an Erfahrung bedeuten, „aber auch eine Herausforderung für uns, was die Kaderplanung angeht“. Wie viel Geld zur Verfügung steht, hängt davon ab, in welchem Wettbewerb Hertha starten darf – und das entscheidet sich möglicherweise erst Ende August. Für eine zusätzliche Belastung benötigt der Kader deutlich mehr Tiefe. Hertha sucht vor allem mehr Schnelligkeit. Aber auch ein Stürmer steht mit Blick auf das fortgeschrittene Alter von Vedad Ibisevic, 31, und Salomon Kalou, 30, weit oben auf der Agenda. Ein Kandidat könnte der 23 Jahre alte Schwede Branimir Hrgota sein, dessen Vertrag bei Borussia Mönchengladbach ausläuft.

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