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Aus Sand gebaut? Rafael Nadal gewann in Paris schon neun Titel.

© picture alliance / dpa

Roland Garros in Paris: Lasst es stauben: Ein Plädoyer für das Sandplatztennis

Sandplatztennis mag verstaubt wirken, aber kein Titel ist so hart zu gewinnen wie der bei den French Open in Paris. Und nirgendwo wird Tennis epischer. Ein Essay.

Der Aufschlag? Ein besserer Einwurf. Der Return? Erst mal sicher ins Feld gespielt. Jetzt beginnt der Schlagabtausch. Auf den Vorhandcross folgt ein Vorhandcross des Gegners. Dreimal, viermal. Dann ein Richtungswechsel hier und ein Tempowechsel da. Ein Rückhandslice segelt beinahe in Zeitlupe von der einen auf die andere Seite des Platzes. Dort rutscht der Spieler zum Ball, gräbt ihn aus dem roten Sand und legt ihn unerreichbar als Stopp hinter das Netz. Applaus!

Wenn an diesem Sonntag in Paris das zweite Grand-Slam-Turnier des Jahres beginnt, dann sind sie wieder gefragt – die Wühler, die Arbeiter, die Pferdelungen. Kein Titel im Tennissport ist härter zu gewinnen als der in Roland Garros. Und keiner ist ehrlicher. Wer nach zwei Wochen den Siegerpokal in die Höhe reckt, darf sich Sandplatzkönigin oder –könig nennen. Dabei gilt der Erfolg in Paris als weniger wertvoll als der Sieg in Wimbledon. Obwohl es Zeiten gab, in denen es auf dem Londoner Rasen schon ausreichte, über einen guten Aufschlag zu verfügen, um als Mitfavorit auf den Titel zu gelten.

Bei den French Open in Paris sind die Wühler und Arbeiter gefragt

Das Spiel auf Sand ist weniger simpel, für so manchen ist es allerdings auch weniger ansehnlich. Und einige haben es regelrecht hassen gelernt. Boris Becker zum Beispiel hat in seiner illustren Karriere 49 Turniere gewonnen – kein einziges davon auf Sand. Auch Pete Sampras tat sich auf Asche schwer. 14 Titel bei Grand Slams stehen in der Bilanz des US-Amerikaners, bei den French Open schaffte er es nicht einmal bis ins Finale. Bei den Frauen verzweifelte Martina Navratilova auf Sand regelmäßig an ihrer Dauerkonkurrentin Chris Evert. Nur drei von 14 Duellen gewann die Angriffsspielerin auf dem langsamen Untergrund. Wenigstens konnte Navratilova eines von vier Paris-Finals gegen die menschliche Gummiwand gegenüber gewinnen. Roger Federer war so ein Triumph gegen Rafael Nadal bei den French Open nicht vergönnt. Noch heute ist er dankbar für die glückliche Fügung, dass ihm der Spanier 2009 ausnahmsweise einmal nicht im Weg stand und der beste Tennisspieler der Geschichte wenigstens einmal beim wichtigsten Sandplatzturnier triumphieren konnte.

Anders als Becker oder Sampras hegt Federer durchaus eine gewisse Sympathie für das Spiel auf Sand. Er hat auch einige Titel auf dem für ihn eher schwierigen Untergrund gewonnen. Und er hat sich mit Rafael Nadal einige legendäre Schlachten geliefert, die in dieser Ausprägung nur auf einem Sandplatz möglich gewesen sind. Doch das Tennis hat sich in den vergangenen Jahren verändert. Allrounder sind gefragt, Spezialisten sterben aus – oder sind es schon wie bei den Frauen, wo alle nur noch gleich spielen. Nadal ist womöglich der letzte große Sandplatzspieler auf absehbare Zeit. Wobei auch seine Zeit langsam abläuft und er andererseits durchaus davon profitiert hat, dass sich die Beläge in der jüngeren Vergangenheit immer ähnlicher geworden sind.

Die reinen Sandplatzspezialisten drohen auszusterben

Dabei waren es in Paris einst gerade Spieler wie Gustavo Kuerten, Sergi Bruguera, Thomas Muster oder bei den Frauen Arantxa Sanchez-Vicario, die eben für eine spezielle Art des Tennis standen. Sie wussten selbst, dass sie mit ihrer Spielweise eigentlich nur auf Sand erfolgreich sein würden – und haben aus dieser Not eine Tugend gemacht. Auch daran sind ihre Gegner gescheitert. An Spielern oder Spielerinnen, die auf Sandplätzen zuhause waren. Die vor Kraft strotzten, die sich stundenlang die Bälle um die Ohren schlagen konnten – und die in der Regel über eine fulminante Topspin-Vorhand verfügten. Diese Waffe aber setzten sie – anders als die Top-Aufschläger in Wimbledon – taktisch ein. Ein Punkt auf Sand will aufgebaut werden. Es gilt, sich den Gegner zurechtzustellen und dann zuzuschlagen. So ein Geduldsspiel hat etwas von Schach, es kann auch mal mit einem Fehler des Kontrahenten enden.

Zuletzt gab es immer wieder Gedankenspiele, die Sandplatzsaison in Europa mit ihren Traditionsturnieren von Monte Carlo bis Hamburg weiter auszudünnen. Bloß nicht! Lasst es stauben! Auch wenn Sandplatztennis zuweilen wie ein Relikt aus vergangenen Zeiten wirkt und es in seiner epischen Dimension nicht modern sein mag. Doch dabei wird vergessen, dass die Schönheit zuweilen im Auge des Betrachters liegt.

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