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VOR DEN OLYMPISCHEN SPIELEN IN PEKING Wie sich Sportler zur Situation in China äußern wollen: Protest bei guter Gelegenheit

Für viele Medien war es ein gefundenes Fressen: Meine Teamkollegin Britta Heidemann als Chinafreundin und ich als Chinafeindin. Aber so einfach ist es nicht. Ich gehe das Thema nur eher von der politisch-humanistischen Seite an

Vor diesen Olympischen Spielen hat sich ja wirklich jeder seine Gedanken gemacht, wie er sich denn verhalten soll. Ich habe meine Linie gefunden. Ich fahre als Sportler nach Peking und wenn es noch in den Rahmen passt, werde ich mich auch politisch äußern. Aber geplant habe ich nichts. In den vergangenen Wochen habe ich es auch so gehalten. Ich bin konservativ erzogen, wenn jemand eine Frage an mich hat, dann antworte ich auch. Aber wenn ich mich in einem Forum wie bei den Netzathleten engagieren würde, hätte es gleich geheißen, die will missionieren. Aber ich will kein Aufwiegler sein.

Ich werde in Peking jedem Chinesen, der da steht – es sei denn er ist ein ganz großer Vollidiot – mein schönstes Lächeln schenken. Ich werde versuchen, ein guter Gast zu sein – sofern China ein guter Gastgeber ist.

Zur Eröffnungsfeier gehe ich bewusst nicht, weil ich nicht Teil der kommerziellen und politischen Inszenierung sein möchte. Ich will nicht dazugehören, wenn das Publikum von Samsung und McDonalds besponsert wird. Wir wissen ja auch noch nicht einmal, wie die Eröffnungsfeier aussehen soll. Dieses Risiko möchte ich nicht eingehen. Da setze ich mich lieber mit einem guten Buch ins Olympische Dorf und trinke ein Bierchen.

Protestieren dürfen wir ja auch gar nicht. Wir als Athleten müssen uns einreihen.

Und je vorsichtiger man ist, desto weniger Probleme bekommt man. In der Mixed Zone dürfen wir uns frei äußern, okay. Aber gehen wir mal vom Idealfall aus: Ich gewinne Gold und laufe dann an den Reportern vorbei. Wenn mich dann einer fragen würde: Sie haben Gold gewonnen, was sagen Sie nun zu der politischen Lage in China, würde ich sagen: Habt ihr keine besseren Fragen?

Wenn jemand gewonnen hat und mit Free-Tibet-Sticker und dem Zeichen von Reporter ohne Grenzen und noch dem Armbändchen für Menschenrechte vor die Kameras tritt, ist das ein ziemlich aufdringliches Statement. So etwas schätze ich nicht. Für 2,50 Euro sein gutes Gewissen mit sich rumzutragen, was soll das? Ich habe auch einen Free-Tibet-Sticker. Den werde ich gut eingehüllt mit nach China nehmen. Aber es muss sich die richtige Gelegenheit bieten, etwas zu tun. Es darf nicht irgendeine Luftnummer werden. Ich kann auch mal eine spontane Entscheidung treffen. Ich werde den Chinesen nicht ins Essen spucken; wenn sie mir auch nicht in meine Suppe spucken.

Unsere Rolle als Athleten ist ja wirklich eine sehr eingeschränkte. Es gibt schon Athleten, die eine sehr große Selbständigkeit haben, die aufstehen und ihre Meinung sagen. Aber mündig im philosophischen Sinne, also nach Kant beispielsweise, ist man als Athlet nicht. Ich bin abhängig vom Weltverband, der entschieden hat, bei diesen Spielen keinen Mannschaftswettbewerb im Damen-Degen anzubieten. Ich bin abhängig vom IOC, das diese Entscheidung abgenickt hat. Und ich bin abhängig vom Deutschen Olympischen Sportbund, der mich nominiert hat. Bleibt nur die geistige Unabhängigkeit.

Für viele Medien war es ein gefundenes Fressen: Zwei Positionen innerhalb einer Mannschaft bei uns Degenfechterinnen. Britta Heidemann, die Chinafreundin. Und ich die Chinafeindin. Aber so einfach ist es nicht. Britta geht China vor allem von einem ökonomischen Standpunkt an. Sie studiert das ja auch. Ich sehe es eher von der politisch-humanistischen Seite. Mir geht es um die Grundrechte der Menschen und um den Rechtsstaatsdialog, der mit China weiter geführt werden muss.

Man muss sehen, inwieweit die Pressefreiheit während der Spiele umgesetzt wird. Inwieweit sich politische Journalisten mit Dissidenten unterhalten können. Und was mit den Dissidenten passiert, wenn die Kamera aus ist. Das Problem ist ja, dass die Journalisten die Dissidenten nicht die ganze Zeit beschützen können.

Die Hoffnung ist jedenfalls da, dass sich etwas ändert durch die Spiele, auch bei mir. Aber die Chancen sehe ich als relativ gering an. Es ist ein dermaßen großes Land. Da braucht man sich nur mal auf der Landkarte Peking anschauen, und wie viel Reich dahinter ist. Und es ist nicht klar, was die chinesische Führung alles beeinflussen will. Nur die Mittel- und Oberschicht? Oder interessiert es sie auch, ob der Reisbauer auf dem Feld oder der Fabrikarbeiter mitgenommen wird bei der Entwicklung des Landes? In einem Jahr wird man feststellen, was sich wie weit verändert hat. Das hängt auch vom Ergebnis der Spiele ab. Wenn die Chinesen untergehen, werden sie eher für Ratschläge offen sein als wenn sie total erfolgreich abschneiden. Es kommt also auf die Selbstwahrnehmung der Chinesen an.

Mein Horizont hat sich durch die Diskussion um China, Tibet und die Menschenrechte auf jeden Fall erweitert. Das Thema wird mich weiter begleiten. Ich habe beispielsweise einen interessanten Wissenschaftler von der Ruhr-Universität in Bochum kennen gelernt, der über China unterrichtet. Da werde ich mich vielleicht mal in die ein oder andere Vorlesung als illegaler Gasthörer schleichen.

Imke Duplitzer, 33, erlebt in Peking ihre vierten Olympischen Spiele. In Athen gewann sie mit der Degen-Mannschaft Silber. Zuvor war sie im Einzel schon WM–Zweite und Europameisterin.

Aufgezeichnet von Friedhard Teuffel.

Imke Duplitzer

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