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Aufwachen, Jungs! Bundestrainer Dagur Sigurdsson erlebt derzeit die negativen Seiten des Erfolges. Seine Handballer befassen sich mehr mit sich als mit den Testspielen am Wochenende gegen Dänemark und Österreich.

© dpa

Vor Länderspielen gegen Dänemark und Österreich: Bundestrainer Dagur Sigurdsson fordert mehr Konzentration

Handball-Bundestrainer Dagur Sigurdsson erlebt derzeit die Schattenseiten des Erfolges. Vor den Länderspielen am Wochenende sind viele Spieler mit sich selbst beschäftigt.

Die Tour geht weiter, immer weiter. Bislang hat sie Deutschlands Handballer unter anderem nach Berlin geführt, zwei Mal sogar, zum offiziellen Empfang in der Max-Schmeling-Halle und wenig später ins Bundeskanzleramt. In der Zwischenzeit standen noch weitere Termine auf dem Roten Teppich auf dem Programm, etwa beim Ball des Sports in Wiesbaden oder im ZDF-Sportstudio. Am Freitag, zwei Monate nach dem Finalsieg von Krakau, wird sich die Delegation des Europameisters nun ein weiteres Mal verewigen. Dann überreicht Bundestrainer Dagur Sigurdsson dem Deutschen Sport- und Olympiamuseum in Köln zwei Kult gewordene Utensilien aus dem Privatarchiv: die Magnettafel, mit der er bei Auszeiten taktische Nachhilfe im Crashkurs vermittelte, sowie den Taktikzettel, der das deutsche Team durchs Turnier navigierte und unmittelbar nach der EM bereits in den sozialen Netzwerken seine Runden gedreht hatte. „Keep it simple“, hatte Sigurdsson über das Blatt Papier geschrieben, das für Außenstehende kaum zu dechiffrieren war. Haltet es einfach also.

Das wiederum war zuletzt gar nicht so einfach für den Bundestrainer. Nach dem Test gegen Katar Mitte März in Berlin (24:26) stand nämlich der unschöne Vorwurf mangelhafter Einstellung im Raum. „Wir waren zu selbstverliebt“, schimpfte der Isländer. Das soll sich an diesem Wochenende unter keinen Umständen wiederholen, wenn die deutsche Mannschaft zwei weitere Testspiele bestreitet: Nach dem Streit um die Doppelbelegung der Köln-Arena durch die Play-off-Serie der Eishockeyteams aus Köln und München ist das Duell mit dem zweifachen Europameister Dänemark kurzfristig von Freitag auf Samstag (15.30 Uhr, live bei Sport1) verlegt worden. Am Sonntag trifft die deutsche Auswahl dann in Gummersbach auf Österreich (15 Uhr, live im ZDF).

„Wir haben eine weitere wichtige Woche vor uns. Diese Zeit müssen wir optimal nutzen“, sagt Sigurdsson, „wir brauchen wieder volle Konzentration auf den Sport, um erfolgreich zu sein.“ Im öffentlichen Diskurs ist es zuletzt vor lauter Euphorie ja vor allem darum gegangen, welcher Spieler das Casting für die Olympischen Spiele im Sommer erfolgreich abschließen kann und welcher nicht. Sigurdsson war sichtlich genervt von der Diskussion, weil sie bei einigen Kandidaten offenbar dazu geführt hat, sich mehr mit sich selbst zu beschäftigen als mit dem großen Ganzen. „Das sind die negativen Seiten des Erfolgs, damit müssen wir jetzt klarkommen“, sagt der Bundestrainer, „genauso wie wir vor der EM damit klarkommen mussten, dass wir ständig auf unsere vielen Verletzten angesprochen wurden.“ Seinerzeit hat Sigurdsson die Debatte erstaunlich gelassen wegmoderiert, mit bekanntem Ausgang.

Angesichts der personellen Optionen muss aber auch die Frage erlaubt sein, wer es denn in den Kader für Rio schafft und wer zu Hause bleiben muss. Im Grunde hat Sigurdsson das Nationalteam dahin gebracht, dass er seine Auswahl aus einem Pool von etwa 30 Spielern zusammenstellen kann – ein Luxusproblem. Auch für die Länderspiele in Köln und Gummersbach hat der Bundestrainer einen Neuling nominiert, der sein Debüt in der Nationalmannschaft geben wird und ins Fahndungsprofil junger und entwicklungsfähiger Spieler passt: Nikolai Link. Der 25-Jährige vom Zweitliga-Tabellenführer HC Erlangen hat in den vergangenen Wochen sehr stabil gespielt und soll im Rückraum helfen. Stichwort: Konkurrenzkampf.

Dass dieser weiter sehr ausgeprägt sein wird, hat sich auch längst im Team herumgesprochen, nicht nur wegen Sigurdssons kleinem Ausraster nach dem jüngsten Test gegen Katar. „Wir wissen, dass wir viele Sachen besser machen können und müssen als beim letzten Mal“, sagt Nationalspieler Patrick Groetzki. „Dagur fordert in jedem Training Vollgas von jedem, es geht immer richtig zur Sache, wir rennen uns die Seele aus dem Leib.“ Getreu dem Motto der fortwährenden Tour: weiter, weiter, immer weiter.

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