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Höher hinaus als die Eintracht? Wie Frankfurt in der vorigen Saison steht Hertha als Aufsteiger oben. Das erste Saisonspiel gewannen die Berliner gegen das Vorbild 6:1.

© dpa

Vorbild für Hertha BSC: Das Frankfurter Modell

Hertha BSC sorgt in der Bundesliga für Furore wie Eintracht Frankfurt in der vorigen Saison – der Aufsteiger sprach ebenfalls vom Klassenerhalt und erreichte die Qualifikation zur Europa League.

An Bewunderern fehlt es Hertha BSC derzeit wirklich nicht. Das Lob prasselt von allen Seiten auf den Bundesliga-Aufsteiger ein. Von Fußballverstehern wie Lucien Favre und Pep Guardiola ebenso wie vom Nationalspieler Bastian Schweinsteiger, der sich als vorerst Letzter unter die Laudatoren gemischt hat. „Berlin wird noch für viel Furore in der Bundesliga sorgen“, hat er Anfang der Woche gesagt, kurz nachdem seine Bayern gegen Hertha das Schlimmste gerade noch abgewendet hatten.

Im Grunde sind die Berliner längst dabei, für Furore zu sorgen. Wenn sie am Samstag (ab 15.30 Uhr im Live-Ticker) im Olympiastadion den FC Schalke 04 empfangen, ist dies das Duell des Tabellenfünften gegen den Siebten – wobei Aufsteiger Hertha auf Platz fünf liegt, nicht der Champions-League-Teilnehmer Schalke. Vor der Saison haben die Verantwortlichen bei Hertha verlautbart, dass man nach zehn Spieltagen absehen könne, wo die Reise hingehe. Jetzt sind zehn Spieltage rum, und Hertha liegt auf einem Europapokalplatz. „Wir stehen jetzt da, wo wir stehen – und das zurecht“, sagt Trainer Jos Luhukay. „Aber wenn ich jetzt sage, wir planen einen Europapokalplatz, können wir angegriffen werden.“ Das Ziel bleibt der Klassenerhalt, und das werde man nicht korrigieren, nur weil die Mannschaft im Moment Fünfter ist, sagt Luhukay.

Kann Hertha BSC in den Europapokal einziehen?

Man kennt solche Aussagen aus der vorigen Saison – aus Frankfurt. Auch die Eintracht war nach einer katastrophalen Halbserie abgestiegen, schaffte dann aber mit einen neuem Trainer, Armin Veh, einem attraktiveren Spielkonzept und klugen Transfers den direkten Wiederaufstieg und stürmte dann in der Bundesliga gleich in die Spitzenränge – wo Frankfurt bis zum Saisonende blieb, trotz aller defensiven Statements.

Taugt das Frankfurter Modell auch als Vorbild für Hertha? Sind die Berliner tatsächlich in der Lage, erstmals seit 2009 wieder in den Europapokal einzuziehen? „Wenn wir drei oder vier Spieltage vor Schluss noch da stehen, dann sage ich vielleicht: Wir wollen mit vollem Herzen auf den Europapokal gehen“, antwortet Luhukay. Dass diese Frage überhaupt gestellt wird, hätte vor der Saison niemand für möglich gehalten. Nominell ist Hertha ganz sicher kein zwingender Europacup- Anwärter. Seine Stärken bezieht das Team aus mannschaftlicher Geschlossenheit und der fußballerischen Idee seines Trainers. Doch es gibt einen großen Unterschied zur Eintracht: Während Frankfurt in der Hinrunde vor einem Jahr nach der Devise spielten, immer ein Tor mehr zu schießen als sie hinten kassierten, wirkt Hertha stabiler. Die Mannschaft kann auch mal ein 1:0 über die Zeit verteidigen, wie zuletzt gegen Borussia Mönchengladbach. Auf eine komplette Saison gesehen, so heißt es, bringt defensive Stabilität mehr als offensiver Hurrafußball.

Hertha-Trainer Jos Luhukay findet es müßig, über den Europapokal zu sprechen

Europapokalprämien hat bei Hertha trotzdem noch niemand ausgehandelt. Fabian Lustenberger lacht verlegen. „So weit sind wir noch nicht“, sagt der Kapitän, „das können wir tun, wenn wir am 30. Spieltag immer noch da oben stehen.“ Die Zurückhaltung ist verständlich. In 50 Jahren Bundesliga ist es erst sechs Aufsteigern gelungen, sich für den Europacup zu qualifizieren: Wuppertal (1973), Stuttgart (1978), Bremen (1982), Bochum (1997), Kaiserslautern (1998 als Meister) und zuletzt Frankfurt.

Wie weit der Weg ist, zeigen zwei andere Beispiele. In der Saison 2007/08 wurde der Karlsruher SC als Aufsteiger für seinen Offensivfußball gefeiert. Am 22. Spieltag lag der KSC auf Platz fünf, danach gewann er nur noch ein Spiel und wurde schließlich Elfter. Ein Jahr darauf rockte die TSG Hoffenheim die Liga. Am 19. Spieltag war der Aufsteiger sogar noch Tabellenführer, anschließend aber blieb er zwölf Mal hintereinander sieglos und beendete die Spielzeit als Siebter.

Luhukay findet es müßig, darüber zu sprechen, ob Hertha das neue Frankfurt wird: „Die Liga ist diesmal ganz anders. Die ersten drei sind weit weg, alles andere ist eng.“ Immerhin hat Hertha schon gegen einige Gegner gespielt, die als klare Anwärter auf Europa gelten: Frankfurt, Hamburg, Stuttgart, Wolfsburg, Hannover, Gladbach, Bayern – gegen keine dieser Teams waren die Berliner deutlich unterlegen. „Diese Punkte vor allem gegen Spitzenteams sind Punkte für den Klassenerhalt – das darf man nie vergessen“, sagt Verteidiger Sebastian Langkamp.

Ein Unentschieden gegen Schalke wäre zu wenig

Denn Hertha hat eine Vergangenheit. Sollten die Berliner heute gegen Schalke ein unentschieden spielen, hätten sie 16 Punkte und damit genauso viele wie vor zwei Jahren nach elf Spieltagen – damals stiegen sie am Ende der Saison trotzdem ab. „Daraus haben wir unsere Lehren gezogen“, sagt Lustenberger. Und Sebastian Langkamp erklärt: „Wir werden sicher nicht den Fehler machen, uns in der Winterpause zu sicher zu fühlen.“

Wohin geht die Reise für Hertha – nach Europa oder in die Zweite Liga? „Ich kann ja nicht nach vorne schauen, sondern nur die zehn Spieltage analysieren“, sagt Luhukay. „Deshalb habe ich keine Sorge. Es ist kein Zufall, wie viele Punkte wir bisher geholt haben.“ In Berlin haben sich einige Scherzkekse schon gefragt, was „Finale dahoam“ auf Berlinerisch hieße – falls Hertha sich für die Champions League qualifiziert und 2015 das Endspiel im Olympiastadion erreicht. Lustenberger schüttelt den Kopf und sagt: „Das lassen wir lieber.“

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