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Sport: Vorgeführt in Amsterdam

Mit der 1:2-Niederlage ist Ribbecks Team gut bedientMichael Rosentritt Es war ein besonderer Tag für Lothar Matthäus, und die holländischen Fans spielten mit. Artig applaudierten sie, als der Kapitän der deutschen Fußball-Nationalmannschaft für seinen Weltrekord von 144 Länderspielen geehrt wurde.

Mit der 1:2-Niederlage ist Ribbecks Team gut bedientMichael Rosentritt

Es war ein besonderer Tag für Lothar Matthäus, und die holländischen Fans spielten mit. Artig applaudierten sie, als der Kapitän der deutschen Fußball-Nationalmannschaft für seinen Weltrekord von 144 Länderspielen geehrt wurde. Das holländische Publikum war freundlich, seine Mannschaft war es nicht. In der ersten Halbzeit verirrte sich der Ellenbogen von Winston Bogarde im Gesicht des Münchners, der auch ansonsten einen denkbar unangenehmen Abend erlebte. 1:2 (1:2) unterlagen die Deutschen, und sie waren mit diesem Ergebnis denkbar gut bedient. 50 000 Zuschauer in der AmsterdamArena hatten jede Menge Spaß.

Wenn es denn gestern Abend doch so etwas wie einen Lichtblick auf deutscher Seite gab, dann war es das Debüt von Sebastian Deisler. Der Berliner kam in der zweiten Halbzeit für den überforderten Wolfsburger Zoltan Sebescen, und er machte seine Sache wie in der Bundesliga bei Hertha BSC: frech und gut. "Schade, dass wir verloren haben, aber mit meiner Leistung kann ich zufrieden sein. Endlich hat es einmal geklappt in der Nationalmannschaft", kommentierte der Berliner seine Leistung. "Die Holländer waren zwar besser, aber wir können auch ein bisschen mehr, als wir heute gezeigt haben."

Als Deisler kam, da war für seine Mannschaft das Schlimmste auch schon schon überstanden, hatten sich die Holländer schon ausgetobt. Wohl selten ist eine deutsche Nationalmannschaft derart vorgeführt worden wie gestern Abend in der ersten Halbzeit. Da erinnerte das Spiel über weite Strecken an die erste Spielminute des Münchner WM-Finales von 1974. Auch damals hatten sich die Holländer den Ball hin- und hergeschoben, ohne dass ein deutscher Spieler an das Leder gekommen war. Irgendwann hatte Uli Hoeneß dann die Geduld verloren und den großen Johan Cruyff im Strafraum umgetreten. Johan Neeskens verwandelte den fälligen Elfmeter zum 1:0, und dass sie am Ende doch noch 1:2 verloren, haben die Holländer bis heute nicht verstanden.

Anders als damals ging gestern die bessere Mannschaft als Sieger vom Platz. Gegen biedere Handwerker wie Jens Jeremies, Dietmar Hamann oder Christian Ziege wirkte selbst der kantige Verteidiger Jaap Stam filigran. Einmal abgesehen von Mehmet Scholl vermochte kein Deutscher auch nur annähernd das technische Niveau seines Gegenspielers zu erreichen. Spieler wie Clarence Seedorf, Ruud van Nistelrooy oder Patrick Kluivert, die hat die deutsche Mannschaft des Jahrgangs 2000 nun einmal nicht aufzubieten. Das Dilemma der hoffnungslos überforderten Deutschen ließ sich am besten an Zoltan Sebescen ausmachen. Der Mittelfeldspieler vom VfL Wolfsburg, nach einer Handvoll Bundesligaspiele unverhofft zum Nationalspieler befördert, wusste auf der linken Seite überhaupt nicht, wie ihm in der AmsterdamArena geschah. Boudewijn Zenden spielte ihm einen Knoten nach dem anderen in die Beine. Das erste Tor, erzielt nach einer Viertelstunde von Patrick Kluivert, bereitete Zenden vor, das zweite erzielte er mit einem glänzenden Volleyschuss in der 28. Minute nach Vorarbeit von Ronald de Boer selbst. Beide Male schaute Sebescen ehrfürchtig zu.

Zwischenzeitlich hatte Christian Ziege das 1:1 erzielt - ein Tor, wie es die Holländer in Vollendung und moralischer Berechtigung wohl als typisch deutsch bezeichnen werden. Mit wuchtiger Präzision drosch der sonst so unauffällige Mann aus Middlesbrough den Ball nach 21 Minuten in die linke untere Ecke. Es war die erste Torchance der Deutschen, und es sollte ihre einzige bleiben. Zwar ließen es die Holländer in der zweiten Halbzeit ein wenig ruhiger angehen, und ohne den zur Pause ausgewechselten Sebescen ging es in der deutschen Defensive auch nicht mehr ganz so turbulent zu. Auch Deislers Berliner Vereinskollege Dariusz Wosz, Mitte der zweiten Halbzeit für Hamann eingewechselt, hatte ein paar gute Szenen.

Aber für das Spiel tat sie so gut wie gar nichts, diese deutsche Mannschaft, die zur in vier Monaten beginnenden EM mit einem fast schon nostalgisch anmutenden Titel nach Holland und Belgien fahren wird: Sie ist nach wie vor Europameister.

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