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Sport: Vorteil Alter

Im Tennisverband Berlin-Brandenburg überzeugen nur die Senioren

Hajo Plötz hatte seinen ersten deutschen Meistertitel mit 15 Jahren gewonnen. Seitdem ist der Inhaber eines Sportgeschäftes in allen nachfolgenden Altersklassen nationaler Champion geworden – der inzwischen 66-Jährige darf sich somit durchaus als „Meister aller Klassen“ bezeichnen. Auf dem Höhepunkt seiner Tenniskarriere hatte Plötz Mitte der 70er-Jahre sogar Größen wie Guillermo Vilas und Björn Borg geschlagen. Bei den Senioren war er Europa- und Weltmeister. Die deutschen Titel hat er sich in der Regel im Fünf-Jahres-Rhythmus abgeholt. Immer dann, wenn er in eine neue Altersklasse aufstieg: 1990, 1991, 1995, 1999, 2004 und nun 2010. „Meine Frau sagt dann immer zu mir: Hajo, jetzt biste wieder dran“, erzählt Hajo Plötz.

Ungefähr 1,6 Millionen Spieler sind im Deutschen Tennis Bund (DTB) in rund 10 000 Vereinen organisiert und gehen dort auf etwa 50 000 Plätzen ihrem Hobby oder im Falle gehobener Spielstärke sogar Beruf nach. Der DTB ist damit der größte nationale Tennisverband der Welt und der drittgrößte Sportverband Deutschlands. Berlins Anteil daran ist allerdings trotz der Fusion mit Brandenburg eher bescheiden. Der Tennisverband Berlin-Brandenburg (TVBB) ist mit rund 40 000 Mitgliedern in 200 Vereinen der kleinste Landesverband.

Mag sein, dass die mangelnde Quantität ein Hauptgrund dafür ist, dass die Hauptstadt seit langem kaum Spieler von nationaler oder gar internationaler Klasse hervorgebracht hat. Momentan kann einzig Sabine Lisicki vom LTTC Rot-Weiß als Fünfte der deutschen Damen-Rangliste ein solches Attribut für sich in Anspruch nehmen. Bei den Männern ist gerade mal ein Trio mit Patrick Täubert (Position 32), Christian Grünes (70) und Alexander Betz (86) unter den nationalen Top 100 platziert. Allzu viel Hoffnung auf baldige Änderung sollte man sich nicht machen, denn auch in den Rankings der Junioren und der Altersklassen darunter ist das Kürzel „BB“ hinter den Namen die Ausnahme. In den zehn Ranglisten bei Mädchen und Jungen sind Darja Gajos (U18) und Lisa-Marie Mätschke (U16) aus Seeburg als Vierte beziehungsweise Dritte am weitesten vorn. Ansonsten aber gibt es keine Platzierung unter den Top Ten, bei den Jungen der Jahrgänge 1997 bis 1999 sind die Aussichten besonders schlecht.

Also doch eine Frage der Quantität? Nicht unbedingt, denn bei den Tennis-Senioren ab 30 bis über 80 Jahren gibt Berlin ein ganz anderes Bild ab. Bei Deutschen Einzel-Meisterschaften räumen die Evergreens vom TVBB regelmäßig ab. Bei den Mannschaftstiteln sind sie deutlich erfolgreicher. Verglichen jedenfalls mit Verbänden wie Bayern oder Niedersachsen.

Als im August in Bad Neuenahr die letzte Senioren-Meisterschaft stattfand, wurde dieses Bild bestätigt. Nur 33 unter den 810 Meldungen inklusive Doppel und Mixed kamen von Spielern aus Berliner und Brandenburger Vereinen. Diese aber gewannen sechs Titel. Als Einzelsieger trugen sich Susanne Boesser (Blau-Weiß/Damen 50), Brigitte Hoffmann (TV Frohnau/Damen 65) und eben Hajo Plötz (Blau-Weiß/Herren 65) in die Meisterliste ein.

Woran es liegt, dass die aktuellen Berliner und Brandenburger Tennisspieler kaum etwas gewinnen, die Senioren aber Erfolg an Erfolg reihen, kann Jörg Kühnast erklären. Er ist Teamkapitän der Mannschaft, die mit einem 5:4-Erfolg im Finale gegen Bayern Deutscher Meister der 50-plus-Kategorie geworden ist. „Spitzenleute im deutschen Tennis sind Zufallsprodukte“, sagt Kühnast, „anderswo, vor allem in Osteuropa, gibt es einen existenziellen Erfolgsdruck und damit auch eine andere Motivation. Hier will und muss muss sich keiner mehr richtig quälen, schon bei Kleinsterfolgen gibt es oft Vergünstigungen.“ Da werde man schnell genügsam.

Bei den Senioren hingegen fallen diese Faktoren alle weg. „Da gibt es so etwas wie eine Lust an der Qual und der Ehrgeiz ist intakt“, sagt Jörg Kühnast, der Mannschaftskapitän. Hajo Plötz ist dafür ein gutes Beispiel. Er habe nach wie vor sehr viel Freude und richtig Spaß am Tennis, erzählt Plötz, der Senioren-Meister: „Solange ich kann und es gesundheitlich geht, will ich das mit dem Meister aller Klassen fortführen.“

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