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Sport: Vorwärts in die Vergangenheit

Alexander Popp erreicht in Wimbledon das Achtelfinale

London. Jetzt haben auch die Engländer Alexander Popp entdeckt. Ob er sich vorstellen könne, für England zu spielen, wurde der deutsche Tennisprofi auf der Pressekonferenz in Wimbledon von einem einheimischen Journalisten gefragt. „Ich fühle mich hier in London immer zu Hause“, antwortete der 26-Jährige in perfektem Englisch, „ein Teil von mir ist ja auch englisch.“ Das ist durchaus wörtlich zu verstehen, Popps Mutter ist Engländerin. Daher sind auch die Begehrlichkeiten der Briten zu verstehen, haben sie doch gegenwärtig in Wimbledon nur noch Tim Henman, der mit der Weltspitze mithält. Doch Alexander Popp muss die Journalisten aus dem Heimatland seiner Mutter enttäuschen. „Es ist ziemlich sicher, dass ich für Deutschland spiele", sagt er.

Weil Popp sich bislang nicht zu einem Heimatwechsel überreden ließ, stehen nun zwei Deutsche im Achtelfinale von Wimbledon. Nach seinem 6:3, 6:4, 7:6 über Jiri Novak folgte er gestern Rainer Schüttler, der schon am Vortag durch einen Fünfsatzerfolg über Todd Martin die dritte Runde überstand. Popp jedoch gewann sein unspektakuläres Grundlinienduell auf Court 13 souveräner. „Ich bin sehr glücklich, wie ich hier spiele", sagte der 26-Jährige, „von mir aus kann es so weitergehen." Überraschend kam sein glatter Erfolg dennoch, spielte er doch als Nummer 198 der Weltrangliste gegen die aktuelle Nummer zehn. Doch hinter dieser Zahl verbirgt sich auch die ungewöhnliche Geschichte des Alexander Popp.

Die große Müdigkeit

Im Jahr 2000 war er schon einmal dort, wo er jetzt ist. Sogar ein bisschen weiter. Damals gelangte er bis ins Viertelfinale von Wimbledon, ehe er in drei Sätzen gegen den Australier Patrick Rafter verlor. Schon galt er als nächste deutsche Tennishoffnung, der Deutsche Tennis Bund wollte ihn sogar für die Olympischen Spiele in Sydney nominieren. Doch kurz nach Wimbledon überfiel ihn eine seltsame Müdigkeit. Die Ursache dafür wurde im Frühjahr 2001 diagnostiziert: Pfeiffersches Drüsenfieber. Danach kam auch noch eine schwere Handverletzung hinzu, weshalb er nun erst seit einem Monat wirklich zurück im Tenniszirkus ist.

Und nun spielt er schon wieder Wimbledon. Gegen Novak hatte er nur im dritten Satz Schwierigkeiten. In diesem servierte er nach einem Break beim Stande von 6:5 zum Matchgewinn, musste aber das Spiel dem Tschechen überlassen. „Ich war ein bisschen nervös", sagte Popp, „aber wenn ich richtig nervös gewesen wäre, hätte ich auch den Tiebreak verloren." Diesen gewann er souverän, den ersten Matchball verwandelte er zum 7:3. Danach winkte er kurz ins Publikum und verbarg sein Gesicht hinter einem Handtuch. Gefühlsausbrüche sehen anders aus.

Kaum zu glauben, dass der zurückhaltende Popp, wie er erzählt, in seiner Jugend auf dem Tennisplatz emotionaler war. „Ich habe mir viel damit kaputtgemacht", sagte Popp, „aber ich habe mich Gott sei Dank in die richtige Richtung entwickelt." In die ruhigere. Das darf nun auch der 1,68 Meter kleine Belgier Olivier Rochus erleben, der am Montag im Achtelfinale gegen den 2,01 Meter großen Popp spielen wird. Gewinnt der Deutsche auch dieses Spiel, wäre er wieder da, wo er vor drei Jahren war.

Auch der englische Journalist möchte noch einmal an einen Punkt zurück, an dem er schon einmal war. „Würden Sie ausschließen, jemals für England zu spielen?", sagte er, denn Popps erste Antwort hatte noch einen Hoffnungsschimmer glimmen lassen. Doch auch für solche Emotionen ist der kühle Blonde nicht zu haben. Er sagte: „Ja." Und grinste breit über das ganze Gesicht. Es war das erste oder zweite Mal an diesem Nachmittag in Wimbledon.

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