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Vorwurf: Sexuelle Belästigung: Schatten auf der Eiskunstlauf-WM

Das deutsche Eiskunstlauf-Team reist ohne seinen Sportdirektor zur WM nach Los Angeles - wegen des Vorwurfs der sexuellen Belästigung gegen ihn.

Reinhard Ketterer ist ein eher nüchterner Mensch. Aber als er vor einiger Zeit in Oberstdorf im Training das Kurzprogramm von Robin Szolkowy und Aljona Sawtschenko gesehen hat, „da blieb mir die Luft weg“. Für den Leitenden Eiskunstlauf-Landestrainer von Berlin ist deshalb klar: „Wenn sie keine Fehler machen, verteidigen sie ihren Titel.“ Dann würde das Duo aus Chemnitz in Los Angeles wieder Paarlauf-Weltmeister. Heute beginnt die WM, Szolkowy und Sawtschenko sind die große Hoffnung der Deutschen Eislauf-Union (DEU). Annette Dytrt und Peter Liebers kämpfen höchstens um Top-Ten-Plätze, die Eistänzer Carolina und Daniel Hermann wären mit Platz 15 zufrieden. Ob Peter Liebers allerdings fehlerfrei laufen kann, ist die große Frage. Sein Koffer mit den Schlittschuhen und den Kostümen ist verloren gegangen. In einer Blitzaktion erhielt er aus Deutschland seine Schlittschuhe aus dem vergangenen Jahr und Kostüme seines Bruders Martin. Allerdings ist Martin Liebers sieben Zentimeter größer als sein Bruder. „Das Problem sind vor allem die Schuhe. Die lagen ein Jahr im Keller. Eigentlich sind die nicht für einen WM-Einsatz geeignet“, sagt Ketterer.

Martin Skotnicky betreut das deutsche Team, der Eistanz-Bundestrainer. Und diese Personalie ist Teil des Themas, dass alle sportlichen Belange im deutschen Lager verdrängt. Denn in Los Angeles fehlt DEU-Sportdirektor Udo Dönsdorf, weil ein Eistänzer erklärt hatte, Dönsdorf habe ihn sexuell belästigt. Der Sportdirektor hatte dies gegenüber dem Eisläufer energisch zurück gewiesen. Die Landesverbände Bayern, Sachsen, Berlin und Nordrhein-Westfalen haben in einem Brandbrief an das DEU-Präsidium verlangt, dass der Sportdirektor zu Hause bleibt. Die WM-Teilnehmer stammen aus diesen Verbänden. „Wir möchten, dass die Sportler sich in Ruhe auf die Wettkämpfe vorbereiten können“, sagte Falko Kirsten, Chef des Verbands Sachsen, dem Tagesspiegel. Ob die Vorwürfe zuträfen, spiele gar keine Rolle. „Es geht darum, dass die Athleten Ruhe haben.“

Ruhe haben sie allerdings nicht, natürlich werden sie ständig angesprochen. „Ich bin enttäuscht, dass das Ganze so offensiv nach außen getragen wurde“, sagte Peter Liebers der Deutschen Presse-Agentur. „Ich kann nichts Schlechtes über Herrn Dönsdorf sagen.“ Skotnicky sagte: „Mich hat der Schlag getroffen, als ich davon hörte.“

Im deutschen Eiskunstlauf wachsen inzwischen Unruhe und Verdruss. Kirsten ist zum Beispiel verärgert, dass er bis heute von der DEU nicht über die Vorwürfe gegen den Sportdirektor informiert wurde. Dass der einen Eistänzer sexuell belästigt haben soll, teilten ihm Trainer und teilweise sehr junge Sportler mit. „Es ist schon traurig, dass Juniorenläufer früher davon wissen als das Präsidium eines Landesverbands“, sagte Kirsten. Beim Deutschland-Pokal in Dortmund Mitte März unterschrieben alle vier Landesverbände den Brief an die DEU, den Frieder Dieck, der Vizepräsident des Landesverbands Nordrhein-Westfalen, aufgesetzt hatte. Beim Deutschland-Pokal fehlte der Sportdirektor auch schon, worauf noch mehr Gerüchte durch die Szene waberten.

Kirsten wartet jetzt auf den 18. April. Da findet die Obleute-Tagung der DEU statt; mit dabei ist das DEU-Präsidium. „Ich hoffe, dass wir dann endlich aufgeklärt werden“, sagte er. Möglicherweise ist dann auch klar, was der betroffene Eistänzer gegenüber der DEU angeben hat. Bislang wurde nur der Sportdirektor angehört. Der Läufer konnte nicht aussagen, weil an den beiden Tagen, die er der DEU angeboten hatte, kein Präsidiumsmitglied Zeit hatte. Und als die DEU einen Terminvorschlag machte, konnte der Läufer nicht, weil er an diesem Tag einen lange vorher gebuchten Flug ins Ausland unternahm. Eine Umbuchung konnte sich der Student nicht leisten.

Reinhard Ketterer, der Landestrainer aus Berlin, hat den Brief nicht unterschrieben, aber er ist froh, dass der Sportdirektor bei der Weltmeisterschaft fehlt. „Es geht hier ja gar nicht darum, wer letztlich recht hat“, sagt Ketterer. „Aber der Sportdirektor hätte ja die Deutsche Eislauf-Union repräsentiert. Und da muss man zumindest das Gefühl haben, dass so ein Repräsentant eine saubere Weste hat.“

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