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Sport: Votava, übernehmen Sie!

Trainerwechsel beim 1. FC Union: Ex-Nationalspieler soll die Wende schaffen

Von Karsten Doneck, dpa

Berlin. Spätabends im Hotel Mercure, einem Betonblock im Münchner Stadtteil Perlach, kam die Einsicht. Es ging schon auf Mitternacht zu, als ein sichtlich deprimierter Iwan Tischanski im kleinen Kreis gestand, er erreiche die Mannschaft nicht mehr. Er meinte die Spieler des 1. FC Union Berlin, deren Trainer Tischanski zu diesem Zeitpunkt noch war. Der kleine Kreis, bestehend aus Union-Präsident Heiner Bertram und Union-Geschäftsführer Bernd Hofmann, musste reagieren. Irgendwie, aber schnell. Es wurde ein bisschen telefoniert – und das Ergebnis der nächtlichen Handy-Kommunikation war am nächsten Tag in Berlin beim Training auf einem Nebenplatz des Stadions an der Alten Försterei zu sehen: Dort leitete Mirko Votava das Training beim Fußball-Zweitligisten 1. FC Union. Er erhält einen Vertrag über zweieinhalb Jahre. Tischanski, der nach der fristlosen Kündigung von Georgi Wassilew nicht einmal vier Wochen lang als Cheftrainer gearbeitet hat, kehrt in die Rolle des Assistenten zurück.

Tischanskis Ablösung erfolgte schneller als erwartet. Die 0:1-Niederlage im DFB-Pokal am Dienstagabend bei der SpVgg Unterhaching gab schließlich den Ausschlag. „Unsere Mannschaft war ja wie gelähmt. Die Leistung war desolat, kaum jemand ist an seine Leistungsgrenze gegangen. Unsere Spieler haben sich aufgeführt wie Lämmer, die zur Schlachtbank geführt werden“, schimpfte Klubchef Bertram über Unions Auftritt im Münchner Vorort. Er kündigte an, jedem einzelnen Union-Profi in einem Brief kräftig die Leviten zu lesen.

Mal sehen, was mehr bewirkt: Bertrams schriftliche Ermahnung oder die Trainingsarbeit von Mirko Votava. Der frühere Profi des SV Werder Bremen, der fünf Länderspiele für Deutschland absolvierte, übernahm gestern, Punkt 12 Uhr, das Training und schulte die zehn Profis, die in Unterhaching pausiert hatten. Die anderen Spielern machten unter Tischanskis Aufsicht einen Waldlauf. Wie die Profis auf den Trainerwechsel reagieren? Schwer zu sagen. Sixten Veit teilt mit: „Was soll ich sagen?“ Chibuike Okeke sagt: „Ich habe damit keine Probleme." Votavas jüngste Trainerstation war der SV Meppen, davor hatte er beim VfB Oldenburg gearbeitet. Zuletzt war er Scout von Werder Bremen. Und nun betreut er ein Team, das im Pokal früh rausgeflogen und in der Liga seit sechs Partien sieglos ist.

„Die Mannschaft spielt momentan unter Wert“, sagt Votava unbeeindruckt. „Wir haben 2002 noch sechs Spiele, alles ganz dicke Brocken, da müssen wir nach der Eichhörnchen-Methode vorgehen und Punkt um Punkt sammeln.“ Seine erste Bewährungsprobe hat Votava bereits am Freitag, wenn Union bei Alemannia Aachen um Punkte kämpft. Neuereungen unter ihm? Der 46-Jährige sagt: „Ich werde nicht von heute auf morgen alles bisherige verwerfen. Dreierkette, Viererkette, Perlenkette - ich kann das sowieso nicht mehr hören.“

Für Union schafft das Pokal-Aus in Unterhaching auch wirtschaftliche Probleme. Nach jüngsten Erhebungen fehlen rund 500 000 Euro zur Deckung des Saisonetats. 300 000 Euro hätte die dritte Pokalrunde gebracht. Woher das fehlende Geld kommen soll? Drei Möglichkeiten bieten sich an: Spieler verkaufen, Prämien kürzen, Gehälter reduzieren. Eine vierte Chance hat Heiner Bertram noch im Auge: erhöhte Werbeeinnahmen. Gespräche mit Sponsoren laufen.

Trotz finanzieller Not kann sich Union immerhin noch einen neuen Trainer leisten. „Es wäre doch fatal, wenn ein Verein die Beschäftigung einer seiner wichtigsten Führungskräfte ausschließlich von den Kosten abhängig macht“, sagt Heiner Bertram. Und: „In unserem Budget gibt es eine Position, die heißt: Cheftrainer. Und wir zahlen im Moment ja auch nur ein Trainergehalt.“ Das kann sich ändern. Wenn nämlich der fristlos gekündigte Georgi Wassilew seinen Arbeitsgerichtsprozess gegen Union gewinnt.

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