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Bueno. Contador sorgt bei der Vuelta für die epischen Momente.

© AFP/Reina

Vuelta a Espana der Radprofis: Alberto Contador: Mit Stolz und Unvernunft

Alberto Contador verblüfft bei der Spanienrundfahrt der Radprofis nicht nur mit Attacken, sondern auch mit Worten.

Der Körper ist zerschunden, der Kampfeswille aber ungebrochen. Die Sturzspuren aus der ersten Vuelta-Woche sind noch deutlich zu sehen. Auf dem Arm klebt Mull, auf dem Unterschenkel auch und unter der Rennhose quillt eine weitere weiße Verbandsschicht hervor. Alberto Contador trägt diese Male stolz wie ein Krieger. Manch’ anderer wäre längst nach Hause gefahren. Der Spanier aber, bei Eintritt in die Pyrenäen schon drei Minuten von der Spitze entfernt, kämpft weiter. Er wolle diese Saison nicht mit dem Ausstieg aus einer Grand Tour beenden, sondern ein Zeichen setzen, sagte er. Nur deshalb, aus unbändigem Stolz hält er durch. Und er gesteht: „Es ist schwer, sich jeden Tag ohne echtes Ziel noch einmal zu motivieren.“

Das „echte Ziel“, das er erreichen wollte, war der Vuelta-Gesamtsieg. Drei Mal trat der 33-Jährige bislang bei der Spanienrundfahrt an, alle drei Male gewann er sie. Beim vierten Versuch gestaltet sich das Unternehmen schwieriger. „Ich habe nur noch sehr geringe Chancen auf den Sieg“, meinte er. Und er klang unendlich traurig dabei. Wenn Radprofis sonst Rückschläge erleiden, versuchen sie das entweder durch markige Sprüche oder nichtssagende Floskeln zu kaschieren. Contador hatte über viele Jahre seiner Karriere dafür das Wörtchen „bueno“ parat: Ja, gut. Mit „bueno“ leitete er einst Kommentare über sein schwieriges Verhältnis zu Lance Armstrong beim gemeinsamen Engagement bei Astana ein. Mit „bueno“ begann er Sprüche über seinen Rivalen Michael Rasmussen, der ihm überlegenen war und wenig später wegen Dopingverdachts von der Tour de France ausgeschlossenen wurde. „Bueno“ stand auch am Anfang seiner Antworten bei der Pressekonferenz nach dem eigenen Dopingskandal. Das „bueno“ braucht Contador nicht mehr. Er braucht auch keine Bodyguards und Presse-Attachés, die ihn von Fragern abschirmen. Nein, Contador radelt vom Zielstrich ganz allein zum Bus. Und er redet dabei und gibt sogar Fehler zu.

Der Geist verlangt dem Fleisch Dinge ab, die es einmal leisten konnte, jetzt aber nicht mehr

„Ich hätte wohl konservativer fahren sollen“, sagte er seufzend beim Rückblick auf die bisherige Schlüsseletappe hoch zum Lagos de Covadonga. Da war er tolldreist mit Nairo Quintana mitgegangen und hatte Chris Froome stehen lassen. Weiter oben jedoch konnte der Spanier das Tempo des Kolumbianers nicht mehr halten. Und noch weiter oben rollte ein halbwegs erholter Froome an ihm vorbei. „Wenn ich im Wagen hinter Contador gefahren wäre, als Quintana am Lagos de Covadonga angriff und Chris abreißen lassen musste, dann hätte ich ihm geraten, bei Chris zu bleiben und Quintana ziehen zu lassen“, analysierte Skys Teamchef David Brailsford diesen Moment mit einer Mischung aus Triumph und Mitleid. Triumph, weil sein Mann das eben besser gemacht hatte. Mitleid, weil Contadors verzweifelter Hurra-Stil auch der Konkurrenz Respekt abnötigt. Der Spanier sorgt bei dieser Vuelta für das epische Moment. Er ficht den Kampf Kopf gegen Körper aus. Der Geist verlangt dem Fleisch Dinge ab, die es einmal leisten konnte, jetzt aber nicht mehr. Contador ist sich all dessen durchaus bewusst.

„Ja, ich habe Froome falsch eingeschätzt. Aber ich kann doch nicht von einem Tag auf den anderen meinen Stil ändern“, sagt er nun. Zum Glück tut er das nicht. Denn mit seinen Angriffen am Berg und im mittelschweren Gelände ist er das belebende Element dieser Vuelta.

Altersweise ist er auch noch geworden. „Früher haben sich die Klassementfahrer aus den Sprintfinals herausgehalten. Heute kämpfen viele um Sekunden und erhöhen allein durch ihre Anwesenheit und die ihrer Helfer die Sturzgefahr beim Massensprint“, sagte er. Und er kritisierte die Medien, die zu häufig Sturzbilder zeigen würden. „Macht das die Rennen aus, dass wir Fahrer unsere Gesundheit riskieren?“ Wenn er jetzt auch noch anfängt, das Doping im Hochleistungssport zu analysieren, dann wäre er auf dem Weg zu einem ganz Großen.

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