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Sport: Wachsweiche Vorstellung

Der Biathlet Ricco Groß wird Weltmeister, weil er sich einen eigenen Techniker leistet – auch wenn ihm das Ärger bringt

Oberhof. Ein Schneesturm herrschte gestern in Oberhof. Und der Biathlet Ricco Groß war mittendrin. Er musste laufen, er musste schießen, und am Ende verkündete er freudestrahlend: „Das waren die schwersten, schönsten und lautesten fünf Runden meines Lebens.“ Groß wurde vor 25 000 begeisterten Zuschauern Weltmeister im Jagdrennen über 12,5 Kilometer. In dem dramatischen Wettbewerb hatte er kurz vor dem letzten Schießen noch 20 Sekunden Rückstand auf Raphael Poirée. Doch der Franzose zögerte am Schießstand bei starkem Wind immer noch, als der Deutsche neben ihm auftauchte. Groß schoss als Erster, leistete sich wie Poirée einen Fehlschuss und ging vor seinem Rivalen in die Strafrunde. Vor dem letzten Anstieg aber schmolz der 15-Sekunden-Vorsprung von Groß auf sechs Sekunden. Poirée sprintete scheinbar mühelos den Hang hinauf. „Ich habe seinen Atem gehört“, sagte Groß später. Doch der Ruhpoldinger konnte noch einmal zulegen und holte die Goldmedaille, obwohl „ich nach einem Leichtsinnsfehler beim ersten Schießen gedacht hatte, dass es nur um Bronze geht“. Sven Fischer aus Oberhof wurde Achter, Michael Greis aus Nesselwang Neunter und Peter Sendel aus Oberhof 41.

Am Sonnabend schon hatte Groß gejubelt. Er hatte Silber im Sprint über zehn Kilometer geholt. Dabei hatte er vor dem Rennen noch ein flaues Gefühl im Magen gehabt. Denn als er sich einschoss, tobten hinter ihm die Fans. Das ist schlecht für die Konzentration. „Und ich wusste, dass die Hälfte der Zuschauer noch beim Bratwurstessen ist“, sagte Groß. „Es würde im Rennen also noch lauter werden. Ich habe gedacht: Hoffentlich blamiere ich mich nicht.“ Die Sorge war unberechtigt, nur Poirée war im Sprint schneller. Vor allem aber hatte sich Groß vor dem Norweger Ole Einar Björndalen platziert, der in dieser Saison schon fünf Weltcupsiege gefeiert hat. „Er wird immer als übermenschlicher, unschlagbarer Athlet dargestellt. Es ist einfach ein schönes Gefühl, vor ihm im Ziel zu sein“, sagte Groß. Und gestern hängte er Björndalen noch mal ab. Der Norweger wurde Dritter.

Groß, dessen beste Platzierung in dieser Saison ein zweiter Platz war, ist der Einzelkämpfer im deutschen Team. Er arbeitet mit einem Mentaltrainer und hat seinen eigenen Skitechniker. In der Vergangenheit waren die Techniker des Deutschen Skiverbands (DSV) immer wieder in die Kritik geraten, weil die Ski zu langsam waren. Speziell mit Rossignol, der Marke von Groß, gab es Probleme. Zur WM 2003 reiste deshalb auf Drängen des Ruhpoldingers ein zusätzlicher Techniker an, der auf Rossignol spezialisiert war. Die Teamkollegen, die bis auf Michael Greis Fischer-Ski fuhren, waren wegen der Sonderrolle von Groß sauer – doch der wurde mit zwei Gold-, einer Silber und einer Bronzemedaille der erfolgreichste Teilnehmer der WM.

Um weiteren Streit zu vermeiden, teilt sich Groß nun einen Techniker mit dem US-Team und bezahlt ihn teilweise selber. „Denn ob ich gewinne, dafür sind die Techniker mitverantwortlich“, teilte Groß mit. Auch Martina Glagow, die gestern Silber gewann, lässt ihre Ski nicht von den DSV-Technikern wachsen, sondern von ihrem Vater. Den Fans waren Wachs und Ski egal, sie feierten Ricco Groß, und auch sein achtjähriger Sohn Marco freute sich über die Medaillen des Vaters. Allerdings will der Filius Skispringer werden oder Nordischer Kombinierer. „Inzwischen findet er den Skispringer Martin Schmitt viel cooler als mich“, hatte der Vater verraten. Das war allerdings vor der WM.

Helen Ruwald

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