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Sport: Waldi will nur reden

„Bier, Bier, Bier,“ ruft eine dunkelhaarige Kellnerin und drängt sich durch die Zuschauer. 35 Minuten vor Beginn der Sendung ist die schmale Onyx-Bar in Wien schon übervoll.

„Bier, Bier, Bier,“ ruft eine dunkelhaarige Kellnerin und drängt sich durch die Zuschauer. 35 Minuten vor Beginn der Sendung ist die schmale Onyx-Bar in Wien schon übervoll. Die Stimmung unter den 80 Gästen ist aufgeheizt. Die Frischgezapften werden der Servicekraft vom Tablett gezerrt. Die Abnahme des g'spritzen Apfelsafts läuft eher schleppend. Dann betritt Deutschlands kumpeligster Talkmaster die Bühne. Schon für den ersten Mikrophon-Check – „1, 2, Weißbier“ – erntet Hartmann Lacher. Die Wiener Mittelschicht-Schickeria ist amüsiert: Jungmanager mit Einstecktuch, attraktive Unternehmergattinen mit roten Lippenstiftmündern und EM-Shirts. Und doch gelingt es Hartmann, Stammtischatmosphäre in die verglaste Edel-Bar zu zaubern. Seine Talk-Gäste führt der Franke mit aus der Hüfte geschossenen Unverschämtheiten ein: „Der Mann, der bei seinem Abschiedsspiel den Ball verschluckte: Buffy Ettmayer“. Der würfelförmige Ex-Profi vom VfB Stuttgart kontert: „Waldi, mein Arzt sagt, bei mir stünden nur die Beine zu weit hinten.“ Hartmann nimmt zwischen zwei nicht mehr ganz jungen Blondinen am Tresen Platz, schiebt lässig Komplimente raus. Oliver Pocher sagt zu einer Zuschauerin in offenkundig anderen Umständen: „Aber das Kind kommt nicht in der Sendung, bitte.“

Und dann Waldi. Wie kein anderer Sportmoderator schafft es die volkstümliche Duz-Maschine, alles wie einen großen Spaß aussehen zu lassen. Hartmanns Show ist wie eine Currywurst: Ein üppiger Sattmacher, der den Fußball von seiner kolportierten Ernsthaftigkeit befreit. Ein schnelles Vergnügen ohne unnötigen intellektuellen Nährwert. Ein Stelldichein verblühter Veteranen, das dem Zuschauer die Vergänglichkeit des Kickerruhms und die Verschworenheit dieses putzigen Männerbunds vor Augen führt.

Im Foyer bereitet sich Matze Knop als Beckenbauer auf seinen Auftritt vor. Seine grelle Maske lässt ihn aus der Nähe aussehen wie das Opfer eines Brandanschlags. Ein Besucher fragt, wie er denn normal sprechen würde. Er antwortet beckenbauerisch: „Ja, gut, der Buf-fon…“ Jetzt läuft der Vorspann auf den Bildschirmen. Er zeigt Hartmann mit seinem Freizeitteam im Park. Die anderen kicken, Waldi gibt Anweisungen. Am Ende fragt ein Mitspieler: „Sag mal, spuilts du auch oder redst Du nur“. Waldi antwortet: „Na, i red nur“. Applaus. Hartmann schaut in die Kamera, stellt seine Runde den TV-Zuschauern vor. Das Publikum klatscht und klatscht. Für Momente ist er im Raum nicht mehr zu hören.Tim Jürgens

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