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Sport: Wales bringt ein Denkmal ins Wanken

Trapattonis aussichtsloser Kampf um seinen Posten als italienischer Nationaltrainer

Mailand. Giovanni Trapattoni klammert sich an den Trainerstuhl der Squadra Azzurra, als stünde nicht nur seine Reputation als Fußballlehrer auf dem Spiel, sondern auch seine Existenz. Dabei praktiziert der Maestro, den die Tifosi unlängst noch als „den erfolgreichsten Trainer der Welt“ feierten, einen regelrechten Catenaccio: eine Ergebnissicherung in Sachen eigener Arbeitsplatz. Der 63-jährige Lombarde beteuert trotz der allgemeinen Kritik gebetsmühlenartig: „Ich trete nicht zurück.“

Nach der schmachvollen 1:2-Niederlage in der EM-Qualifikation gegen Wales hat Vizeverbandschef Giancarlo Abete deutliche Worte gesprochen. „Italien ist nicht mehr wettbewerbsfähig. Jeder muss daraus die Konsequenzen ziehen“, forderte Abete. Klare Worte auch an Trapattonis Adresse. Seine Entlassung ist aber auch für den Verbandspräsidenten Franco Carraro zur sportpolitischen Überlebensfrage geworden. Die römische Sportgazette „Corriere dello Sport“ titelte bereits: „Adieu Trapattoni!“ Sein Nachfolger wird wohl Torwartlegende Dino Zoff, der die Azzurri 2000 zur Vizeeuropameisterschaft führte.

Ein Traum, mit dem er seine verdiente Trainerkarriere hätte ausklingen lassen können, hat sich für Trapattoni innerhalb weniger Monate zum Albtraum entwickelt. Den Anfang vom Ende bildete die Weltmeisterschaft in Japan und Südkorea. Schon nach dem blamablen WM-Aus gegen Südkorea verlangte die Fußballnation seinen Rücktritt. Statt eine sachliche Selbstkritik zu betreiben, ereiferte sich Trapattoni darin, die Schiedsrichter verantwortlich zu machen.

Trapattoni erhielt eine zusätzliche Bewährungsfrist, vor allem, weil er kurz vor WM-Beginn seinen Vertrag um zwei Jahre verlängert hatte. Seine jährliche Gage wurde dabei auf eine Million Euro verdoppelt. Die erhoffte Wende blieb aus, und der Rückhalt innerhalb der Mannschaft schwand. Nationalstürmer Christian Vieri etwa kritisierte öffentlich Trapattonis Fehler bei der WM.

Nach der Niederlage in Wales steht jetzt sogar die EM-Qualifikation auf wackligen Füßen. Trapattoni wurde Opfer seines alten Defensivfetischismus. Kritik erntete er im Spiel gegen Wales mit seiner Entscheidung, beim Stande von 1:1 einen defensiven Mittelfeldspieler für einen Stürmer einzuwechseln.

Craig Bellamy erzielte nach einem klassischen Konter den verdienten 2:1-Siegtreffer. Die anderen Tore schossen Davies (1:0) und Del Piero (1:1). „Das ist derzeit der Leistungsstand des italienischen Fußballs“, sagte Trapattoni und verteidigte im rüden Ton das blamable Spiel seiner Mannschaft.

Trapattoni scheiterte bislang auch am hohen Anspruch von Verband und Tifosi. Denn diese argumentieren nach dem Motto: Wie kann eine Mannschaft, die mit so vielen Weltklassespielern gespickt ist, so kläglich aufspielen. Das langweilige Gekicke produziert einen herben Imageverlust. Den kann sich die Verbandsführung nicht leisten. Schließlich stehen jetzt wichtige Verhandlungen mit Sponsoren an. Diese jüngsten Attacken kratzten so sehr an Trapattonis Nerven, dass er mehrfach seine gewohnte Contenance verlor.

Vincenzo Delle Donne

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