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Früher war alles besser. Lothar Matthäus war mal Weltmeister, anschließend Karikatur. Aber das hat er vergessen.

© dpa

Warnendes Beispiel: Lothar Matthäus: Ballacks falscher Souffleur

Lothar Matthäus legt Michael Ballack den Abschied aus dem Nationalteam nahe. Das ist in etwa so, als würde Helmut Schmidt Marcel Reich-Ranicki einen stillen Rückzug aus dem Medienzirkus empfehlen.

Ausgerechnet Matthäus, der Marathon-Deutsche, der ewige Libero, der wahrscheinlich noch 2006 den Sommermärchenonkel gegeben hätte, wäre er nur gefragt worden, hat sich in der Debatte um die Zukunft Ballacks zu Wort gemeldet: Seine Zeit sei vorbei, er solle sich lieber auf Leverkusen konzentrieren. Auf einen ruhigen Lebensabend. Mit Blick auf den Rhein. Doch wie bei den meisten Wortmeldungen des Boulevardtrainers ist die unfreiwillige Komik auch hier wieder nur Tragik in Spiegelschrift.

Denn es ist Matthäus selbst, der den richtigen Zeitpunkt für den Absprung nicht gefunden hat. Am Ende der Neunzigerjahre taumelte der deutsche Fußball entkräftet der Moderne entgegen, die Nationalmannschaft schleppte Matthäus durch den Spätherbst seiner Karriere, und er gab ihr den noch übrig gebliebenen Rest deutscher Herrlichkeit, die er nach dem WM-Sieg 1990 verkörpert hatte wie sonst nur der Kaiser. Es haben sich Bilder im kollektiven Gedächtnis verfangen, von dieser am Ende fatalen Symbiose, die den deutschen Fußball nach der Europameisterschaft 2000 energie- und ideenlos zurück ließ. Matthäus hatte sich noch vor dem Turnier, mitten in der Saison, in die Altersteilzeit nach New York verabschiedet.

Er war nicht mehr auf der Höhe des Spiels. Doch als der DFB rief, stand er wieder da und versuchte lächelnd zeitlos zu wirken. Die Nationalmannschaft ribbeckte sich durch Holland und Belgien, wurde als geriatrische Tanztruppe demaskiert und Matthäus zum Sinnbild der fußballerischen Demenz des Landes. Er hätte lange vorher aufhören können. Aber so wie Ballack heute von der eigenen Unvollendung angetrieben wird, so spielte Matthäus seinem Rekordeifer hinterher. Bis er nur noch die Karikatur seines eigenen Spiels war, ein alterndes Genie, das als Libero die Veränderungen aussitzen wollte. Deshalb taugt Matthäus nicht als Karriere-Souffleur. Wohl aber als warnendes Beispiel.

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