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Sport: Was erlauben Italien

Die Fußball-Nation fürchtet das EM-Aus – schuld daran soll der Trainer sein

Erst war Italien fassungslos. Das war kurz nach dem Treffer des schwedischen Stürmers Ibrahimovic zum 1:1. Einen Tag später herrschte nur noch Resignation. Das Land, das den Fußball so liebt, ist so tief enttäuscht, dass alle weitere Mühe der nationalen Kicker auf portugiesischem Boden unnütz erscheint. Denn die Qualifikation hängt nach dem 1:1 gegen Schweden an einem „seidenen Faden“, wie die „Gazzetta dello Sport“ der Nation verkündete. Wenn Schweden und Dänemark am letzten Spieltag 2:2 oder noch höher unentschieden spielen, nützt den Italienern selbst ein noch so hoher Sieg über Bulgarien gar nichts. Dann sind sie ausgeschieden, weil in einem Dreiervergleich zunächst die Zahl der geschossenen Tore untereinander zählt.

Andererseits hat die drohende Schmach des Ausscheidens etwas Mythisches, etwas, das Ausländer als einen Spiegel des italienischen Volkscharakters ansehen. Fünf Minuten vor Schluss um die hart verdienten Früchte seiner Arbeit gebracht zu werden, ist fast bezeichnend. Das Volk mit der Improvisationsgabe, das vieles nur in allerletzter Minute schafft, scheint plötzlich den Glauben an diese Fähigkeit verloren zu haben.

Es schmerzt, dass die Squadra Azzurra annähernd 70 Minuten brillierte, den Gegner nach Belieben beherrschte, aber am Ende ohne Sieg blieb. Dabei hatte ein neuer junger Fußballstar aus dem armen Apulien durch sein Kopfballtor die Illusion vermittelt, Italiens Fußballnation sei wieder auferstanden und habe das Image als Defensivkünstler überwunden. Cassanos Heldentat verpuffte jedoch durch den Ausgleichstreffer.

Der Vater des Misserfolgs ist derweil ausgemacht und wird in allen Gazetten an den Pranger gestellt: Nationaltrainer Giovanni Trapattoni. „Als er der Mannschaft zu Hilfe eilen und Gegenmittel erfinden musste, hat er die Situation nicht richtig einschätzen können“, meinte der Kolumnist Giorgio Tosatti. Darüber besteht bei den Tifosi seltene Einmütigkeit. Wie eine Ironie des Schicksals erscheint da, dass der Maestro just von jenen Spielern im Stich gelassen wurde, die bislang den italienischen Fußballgenius personifizierten: Christian Vieri und Alessandro Del Piero. Trapattoni wird dabei fast zur tragischen Gestalt. Denn das, was er als Klubtrainer erreicht hat, wird nun durch sein Intermezzo als Nationaltrainer in Frage gestellt. Einige Kolumnisten meinen, er betreibe aktive Rufschädigung an seiner Fama als erfolgreichster Trainer der Welt. Er treffe die falsche Wahl beim Kader und bei der Auswechslung von Spielern. Sein Vertrag als Nationaltrainer dürfte wohl nur verlängert werden, wenn Italien noch Europameister wird.

Auf der Suche nach Gründen für die zumindest in Hälfte zwei schwache Vorstellung der Azzurris haben einige herausgefunden, dass es am 18.Juni liege. Seit 1978 waren die Partien, die Italien an besagtem Tag bestritt, stets vom Pech verfolgt. Auch bei der letzten WM schied Italien an diesem Tag gegen Südkorea aus. Bis zum letzten Vorrundenspiel gegen Bulgarien bleibt nun wenig Hoffnung: dass die Kicker mit Glück im letzten Moment noch die Kurve kriegen, wie es das Land in der Vergangenheit in Leben und Wirtschaft oft vorgemacht hat.

Vincenzo Delle Donne[Rom]

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