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Sport: Was fürs Herz

Bayer und Bayern verpassen die Tabellenführung, bieten beim 3:3 aber große Unterhaltung

München. Als die erste Erregung nach diesem allseits als galaktisch gut empfundenem Spiel verraucht war, widmete sich Reiner Calmund wieder den irdischen Problemen des Alltags. Die Kleiderfrage für den folgenden Wiesn-Besuch sei lange entschieden: „Ich werde jetzt gleich in mein Lederzelt schlüpfen“, witzelte der Manager von Bayer Leverkusen. Das Wirrwarr der soeben erlebten Emotionen hatte in ihm offenbar vor allem Erleichterung hinterlassen.

Zu den vorangegangenen 90 Minuten hatte all das gehört, was die Sportart an Besonderheiten hergibt: Fantastische Tore, ein verschossener Elfmeter, rasante Spielzüge und diskussionsträchtige Schiedsrichterentscheidungen garnierten das 3:3 zwischen Bayern München und Bayer Leverkusen. „Fußballherz, was willst du mehr“, sagte Leverkusens Trainer Klaus Augenthaler in einem Anflug von Neutralität. Ottmar Hitzfeld, sein Münchner Kollege, hatte gegen diese Einschätzung längst sein Veto eingelegt. Was den Fußballlehrer erregte, war neben der äußerst schwachen Schiedsrichterleistung der Umstand, dass seine Mannschaft sich erneut kurz vor Schluss um den Lohn ihrer Arbeit gebracht hatte. „In Wolfsburg haben wir in den letzten Minuten drei Punkte verloren, heute schon wieder zwei. Das darf nicht passieren“, sprach Hitzfeld mit verknitterter Miene, „daran müssen wir hart arbeiten.“

Zwischenzeitlich hatten die Münchner allerdings schon hart arbeiten müssen, um überhaupt einen Punkt zu erwirtschaften. Als Zé Roberto von Schiedsrichter Meyer beim Stand von 1:2 des Feldes verwiesen wurde und Oliver Neuville wenig später beinahe das dritte Leverkusener Tor erzielt hätte, stand Bayer dicht vor dem ersten Sieg bei den Bayern seit 1989. Die Führung hatten zuvor Carsten Ramelow (10.) per Flachschuss und Franca (34.) per Kopf herausgearbeitet, der die Bayern lediglich Roy Makaays viertes Pflichtspieltor in Folge entgegenzusetzen hatten (25.). Die mögliche Bayern-Führung hatte Michael Ballack kurz darauf mit einem verschossenen Foulelfmeter verpasst (28.).

Die Hinausstellung Zé Robertos markierte den Wendepunkt des Spiels. Die Entscheidung war völlig überzogen, wohl nur das Schiedsrichtergespann hatte eine Tätlichkeit erkannt, selbst Augenthaler sah das so: „Wenn es für so etwas Rot gibt, dann spielen wir demnächst drei gegen drei.“ Doch einem der paradoxen Gesetze des Fußballs gehorchend, verkrampften die Gäste in der Folge, während die Münchner die nach dem Champions-League-Kraftakt ohnehin dezimierten Reserven anzapften. Zunächst gelang Roque Santa Cruz nach feinem Solo der Ausgleich (64.), kaum fünf Minuten später jagte Michael Ballack einen (ebenfalls unberechtigten) Freistoß zur Führung für Bayern ins Tor.

Was das Spiel für die Kategorie „Herausragend“ qualifizierte, war die Gegenwehr der Leverkusener. „Kompliment an meine Mannschaft, dass sie sich nicht aus der Ruhe hat bringen lassen“, sagte Augenthaler, wenngleich sich auch in sein Fazit leise Töne der Unzufriedenheit mischten: „Wir wollten das Stadion als Tabellenführer wieder verlassen, dieses Ziel haben wir nicht erreicht.“ Sein Manager versuchte derweil die Ambitionen zu zügeln. „Wir müssen jetzt schön auf dem Boden bleiben“, sagte Calmund, für große Pläne sei der falsche Zeitpunkt. „Wir gehen jetzt erst Mal zum Feiern auf die Wiesn“, verordnete Calmund, und dort war er wenig später immerhin in feschem Janker zu bewundern. „Wenn ich eine Lederhose angezogen hätte, könnte ich ja direkt bei den Wildecker Herzbuben mitmachen.“ Ein hübsches Bild würde das Trio abgeben.

Daniel Pontzen

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