zum Hauptinhalt

Sport: Was noch zu beweisen ist

Annette Dytrt bleibt bei ihrem Titelgewinn in Berlin wieder etwas schuldig

Berlin - Annette Dytrt hat viel mit Oskar Handowe geredet. Handowe kennt sich aus im Sport, schließlich arbeitet der Psychologe am Olympiastützpunkt München. Immer ging es um ein Thema: Wie bekommt die Eiskunstläuferin Annette Dytrt ihre Nerven in den Griff? Wie gelingt es ihr, die fünf Dreifachsprünge, die sie im Training so souverän beherrscht, auch in einer Wettkampf-Kür zu stehen?

Diese Fragen werden Annette Dytrt weiterhin beschäftigen, und bei den deutschen Meisterschaften in Berlin gab sie sich gestern selbst dazu einen neuen Anlass. Sie sicherte sich zwar den Titel mit klarem Vorsprung vor Christiane Berger aus Mannheim. Es war Dytrts vierter Meisterschaftsgewinn. Doch beim dreifachen Flip und beim dreifachen Rittberger stürzte sie. „Es war heute nicht mein Tag. Ich wollte zu viel“, sagte Annette Dytrt. Und was sie wollte, sagte sie auch: „Unbedingt fehlerfrei laufen.“

Udo Dönsdorf und Reinhard Mirmseker sind an fehlerfreien Läufen von Dytrt ebenfalls brennend interessiert. Der eine ist Sportdirektor, der andere Präsident der Deutschen Eislauf-Union (DEU), und sie brauchen Annette Dytrt. Sie ist die stabilste deutsche Einzelläuferin, sie soll bei den Olympischen Winterspielen in Turin starten und dort möglichst gut abschneiden. Deshalb sind Dönsdorf und Mirmseker der 22-Jährigen weit entgegengekommen. Schon vor den deutschen Meisterschaften haben sie entschieden, dass sie den einzigen deutschen Startplatz bei den Europameisterschaften in Lyon besetzt.

In Lyon muss die Münchnerin unter die ersten acht kommen, nur dann ist sie für Turin qualifiziert. „Sie ist in Deutschland die stabilste Läuferin, sie hat die größten Chancen, sich für Turin zu qualifizieren“, sagt Mirmseker. Aber wehe, sie qualifiziert sich nicht für Olympia. „Wenn sie es wieder nicht schafft, vorne mitzulaufen, wird ihre Perspektive fraglich“, sagt Udo Dönsdorf, der DEU-Sportdirektor. Beim Verband warten sie händeringend auf Dytrts internationalen Durchbruch. Bei den Grand Prix in Paris und Osaka belegte sie die Plätze sieben und acht, das ist ordentlich, aber Dytrt ist nicht konstant genug. Bei der EM 2005 wurde sie Elfte, obwohl der achte Platz möglich gewesen wäre. Die WM 2005 beendete sie auf Rang 15. Eher bescheidene Ergebnisse, gemessen am Aufwand, den sie betreiben darf. Dreimal schon trainierte Dytrt auf DEU-Kosten in den USA bei der Star-Betreuerin Tatjana Tarassowa, zum letzten Mal in diesem Sommer. Sechs Wochen war die Münchnerin 2005 bei der Szenegröße aus Russland. Und nach jedem USA-Aufenthalt sagte sie: „Jetzt bin ich eine neue Eiskunstläuferin geworden.“

Das Problem ist nur, dass das zu Hause keiner so richtig bemerkt. „Sie arbeitet nicht so hart, wie sie das selber empfindet“, sagt zum Beispiel Dönsdorf. Mit einiger Verzögerung gibt das auch Annette Dytrt zu. Zweimal hat sie zu Beginn einer neuen Saison zerknirscht eingestanden: „Ich hätte im vergangenen Jahr im Training mehr machen können.“ Zuletzt kam dieser Satz im Oktober bei der Nebelhorn-Trophy in Oberstdorf. Dönsdorf macht deshalb jetzt ziemlich Druck. Vor kurzem forderte er von der 22-Jährigen, sie solle im Training zwei Programme hintereinander laufen, und zwar im Kleid. Das sollte Wettkampfbedingungen simulieren. „Da gab es natürlich ein paar Tränen“, sagt Dönsdorf. Aber er gab nicht nach, stellte sich an die Bande und beobachtete alles. Seine Präsenz gehört zum Psycho-Training. „Wenn ich auftauche, ist sie angespannter, weil sie weiß, dass ich etwas abfordere“, sagt er. Dytrt muss jedoch nicht bloß härter trainieren, sie muss auch nervenstärker werden. Sonst steht sie die wichtigen Sprünge im Wettkampf nicht.

Aber um sie nicht noch mehr unter Druck zu setzen, sagt DEU-Präsident Mirmseker in Berlin demonstrativ: „Ich glaube an Annette.“ Wie lange er das macht, sagt er allerdings nicht.

-

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false