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Sport: „Was soll mir noch passieren?“

Herthas Trainer Falko Götz floh 1983 aus der DDR. Wie hat ihn diese Erfahrung geprägt?

Herr Götz, über den Menschen Falko Götz weiß man so gut wie nichts.

Das ist doch gut so. Alles, was ich von meinem Privatleben preisgeben möchte, steht auf meiner Homepage.

Uns interessiert weniger Ihr Privatleben als die Frage: Wer ist Falko Götz?

Ich bin ein Mensch, der Emotionen hat, aber ich versuche, die Emotionen in meinem Beruf je nach Situation zu steuern. Ich kann ein sehr harmonischer Mensch sein, aber ich kann genauso gut Konflikte offen austragen.

Wann haben Sie denn zuletzt einen Konflikt offen ausgetragen? Wir haben davon nichts mitbekommen.

Wenn ich möchte, dass Sie davon etwas mitbekommen, bekommen Sie davon etwas mit. Wenn ich das aber nicht will, kriegen Sie auch nichts mit.

Haben Sie sich so perfekt unter Kontrolle?

Ich versuch’s. Es gibt aber auch schon mal einen Zornesausbruch.

Es gibt Trainer, die ihre Emotionen sehr offen ausleben, die sich wohl auch gar nicht unter Kontrolle haben wollen. Sind diese Trainer für Sie ein abschreckendes Beispiel?

Unser Beruf hat sehr viel mit Emotionen zu tun. Und wenn ich Emotionen zeige, dann ist das auch authentisch, da kann schon mal ’ne Flasche fliegen. Aber ich denke, dass es oft aufgesetzt ist bei einigen Kollegen. Das kann ich nicht.

Sie führen als einziger Bundesligatrainer seit Jahren eine eigene Homepage. Warum?

Damit Sie Dinge über mich erfahren.

Sie haben eine Rubrik, die lautet: Wie ich es sehe. Fühlen Sie sich in der Öffentlichkeit falsch dargestellt?

Mir ist einfach wichtig, dass ich meine Meinung sagen kann, unabhängig davon, was um mich herum passiert und geschrieben wird. Die Medien haben eine Meinung, der Zuschauer hat eine Meinung, wieso soll ich keine haben? Ich bin nicht bereit, mir alles gefallen zu lassen. Selbst bei den öffentlich-rechtlichen Sendern ist man nicht mehr sicher. In einer Sendung musste ich mich ständig zu irgendwelchen Boulevardthemen äußern, die nichts mit meiner Arbeit als Fußballtrainer zu tun hatten.

Wie ist denn der Zugriff auf Ihre Seite?

Sehr hoch. Der Höhepunkt war in der Woche erreicht, als rauskam, dass meine Frau und ich uns getrennt hatten.

Also nicht die Entlassung in München, sondern ...

... richtig, die Sache mit meiner Frau. Als ich merkte, dass in meinem Privatleben rumgestöbert wurde, wollte ich das Heft des Handelns in der Hand behalten und habe die Trennung dann lieber selbst verkündet, danach aber jeglichen Kommentar dazu unterlassen.

Was haben Sie an innerer Einstellung von Ihrer Herkunft mitgenommen?

Ich bin in einem Staat groß geworden, in dem einem fast alles abgenommen wurde. Aber ich bin immer ein Mensch gewesen, der seine Geschicke selbst in die Hand nehmen wollte. Ich habe in der DDR eine hervorragende Ausbildung als Fußballer genossen, nicht nur die sportliche, sondern auch die charakterliche Ausbildung betreffend. Ich habe eine tolle Familie gehabt, die mich immer unterstützt hat. Ich habe das Glück gehabt, auf meinem Lebensweg tolle Freunde kennen gelernt zu haben. Und ich habe eine Frau, die meinen ganzen Weg mitgegangen ist, die selber mal eine Karrierefrau war, die zurückgesteckt hat und mit der ich dann auch die größte Krise meines Lebens bewältigt habe. Es gibt mir ein sehr gutes Gefühl, dass ich die Beziehung mit meiner Frau wieder in den Griff bekommen habe.

Sie haben eine sehr bewegte Vergangenheit. Sie sind 1983 aus der DDR geflüchtet und konnten das noch nicht einmal jedem aus Ihrer Familie und Ihrem engsten Freundeskreis mitteilen. Hat Sie das so kontrolliert werden lassen?

Eine gewisse Disziplin und Verantwortung besonders meiner Familie, meinen Verwandten, aber auch Freunden gegenüber, hat das schon verlangt. Sonst hätte das mit der Flucht nicht so reibungslos geklappt. Was ich erlebt habe, gibt mir aber auch eine bestimmte Stärke. Ich habe mich damals auf einen Weg gemacht, der nicht zu überschauen war. Trotzdem ist es ein erfolgreicher Weg geworden. Was soll mir noch passieren?

Träumen Sie noch manchmal von Ihrer Flucht?

Nein. Am Anfang vielleicht, aber nicht im Sinne von Paranoia, sonder eher: Familie weg, Freunde weg. Wir sind im November abgehauen, dann kam Weihnachten und das war eine relativ schlimme Zeit. Ich kannte im Westen noch niemanden, war gerade mal 14 Tage in meiner Wohnung. Die ersten beiden Weihnachtsfeiertage allein in der Bude, draußen hat es in Strömen geregnet.

Wie haben Sie 1989 den Fall der Mauer empfunden?

War schon ein komisches Gefühl. Da waren auf einmal alle Privilegien weg, die du gegenüber deinen alten Kumpels hattest. Das hört sich vielleicht merkwürdig an, aber es war so. Und dann stellte sich das absolute Hochgefühl ein. Ich konnte endlich wieder Freunde sehen. Also, die erste Reaktion war vielleicht nicht ganz fair, aber dann habe ich den Mauerfall als Segen angesehen. Mein Gefühl war immer: Ich war im Osten und konnte nicht in den Westen. Dann war ich im Westen, und konnte nicht in den Osten.

Sie sind sehr zurückhaltend mit Ihrer Flucht in der Öffentlichkeit umgegangen. Andere haben vor der Mauer Interviews gegeben.

Das hat ja wohl jeder selbst steuern können. Ich habe jedenfalls keinen Exklusivvertrag mit einer großen Boulevardzeitung annehmen wollen. Meine Flucht war absolut sportlich motiviert. Ich hatte im Osten einfach zu viele Knüppel zwischen die Beine geworfen bekommen.

Haben Sie durch die Flucht einen Freund verloren?

Sicher.

Wie viele kannten damals Ihre Pläne?

Ich möchte nach wie vor nicht darüber reden. Das ist immer noch eine heikle Geschichte – die im Dunklen sieht man nicht. Unterbewusst schleppt man dieses Thema immer mit. Dafür ist es zu entscheidend für mein Leben. Ich habe damals zu mir gesagt, dass ich nicht provozieren will, weil meine Familie noch drüben war. Ich habe zwei jüngere Geschwister. Das ist vielleicht auch mein Leben: Dass ich ein hohes Maß an Verantwortung gegenüber anderen Menschen getragen habe und dem immer noch gerecht werden will.

Haben Sie Ihre Stasi-Akte eingesehen?

Ja. Ich bin da hingegangen und war ganz unbeschwert. Ich wusste ja ungefähr, was auf mich zukommt. Mich hat dann auch nichts erschüttert, ich habe auch keine engen Freunde durch neue Erkenntnisse verloren. Was mich erschüttert hat, war allein das Ausmaß der gesamten Überwachung.

Hat sich Ihnen je ein ehemaliger Spitzel offenbart?

Nein. Es hat sich niemand bei mir entschuldigt. Ich hätte so eine Entschuldigung auch nicht angenommen. Tut mir Leid, das kann ich nicht.

Das Gespräch führten Sven Goldmann, Michael Rosentritt und Friedhard Teuffel.

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