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Sport: Wasser ist für Medaillen da

Schwimmer und Kanuten sollen das deutsche Team auf Platz drei der Nationenwertung in Athen führen

Gestern Vormittag sprang Franziska van Almsick zum ersten Mal in den Pool des Olympiazentrums von Athen. Anschließend hatte sie „eine Gänsehaut“. Drei Stunden später hockt sie auf einem Podium im Pressezentrum, neben sich Handball-Bundestrainer Heiner Brand, vor sich Dutzende Journalisten und Fotografen, jene Kulisse also, die sie seit Jahren kennt. Aber Franziska van Almsick wäre am liebsten weit weg. „Wenn ich könnte, würde ich in den nächsten Flieger steigen und nach Hause fliegen“, sagt sie. Sie kann aber nicht. Sie muss in Athen noch ein paar Rennen schwimmen. Vor allem muss sie Erwartungen erfüllen, eigene und die der Öffentlichkeit. Sie will Gold über 200 m Freistil. „Ich habe mich früher nie so weit aus dem Fenster gelehnt, jetzt habe ich es gemacht“, sagt sie. Deshalb „wird die kommende Nacht die letzte ruhige sein“.

Vier Meter weiter sitzt Ulrich Feldhoff und blickt prüfend zu van Almsick. Er setzt auf sie. Schließlich hat er verkündet, dass „Deutschland in der Nationenwertung mit China um Platz drei kämpft“. Dann zitiert der Vizepräsident des Deutschen Sportbundes, zuständig für Leistungssport, Russen, Australier und US-Amerikaner. Die „erwarten Deutschland auf dem dritten Platz“. Das ist nett von diesen Nationen, weil es in Sydney für Deutschland nur zu Platz fünf reichte. Aber Sydney ist ein Reizwort, kein Offizieller redet gerne von Olympia 2000. Vor allem Ralf Beckmann nicht, der Chef-Bundestrainer der deutschen Schwimmer. Sydney war ein Debakel, in Athen aber sollen die Schwimmer einiges zum Medaillenspiegel beisteuern. „Sechs große Medaillenchancen“ sieht Beckmann. Neben van Almsick die Weltmeisterinnen Hanna Stockbauer und Antje Buschschulte und die Staffeln.

Feldhoff dagegen hat alle deutschen Medaillenchancen im Blick. „Im Wassersport sind wir sehr stark“, sagt er vergnügt. Wassersport, das ist sein Bereich. Feldhoff ist auch Präsident des Deutschen Kanuverbands (DKV), und diese Sparte liefert seit Jahren zuverlässig Edelmetall. Und jetzt sitzt auch wieder Birgit Fischer im Vierer und im Zweier, mit 42 Jahren, die erfolgreichste Kanutin aller Zeiten. Für sie ist Silber fast schon eine Niederlage. Der Kanadier Andreas Dittmer sowie das Kanu-Duo Ronald Rauhe/Tim Wieskötter sind seit Sydney unbesiegt. Bei den Ruderern haben Katrin Rutschow-Stomporowski und Marcel Hacker im Einer sowie der Doppel-Vierer der Frauen Goldchancen. Der Deutschland-Achter hat sich zumindest an die starken Kanadier herangekämpft.

Und eigentlich gelten auch die deutschen Handballer als Goldfavoriten. Gold? Da streicht Heiner Brand, der Bundestrainer, erstmal bedächtig über seinen Seehundbart. Gold ist ihm zu fordernd. „Wir zählen zu den Favoriten, das schon, aber wir sind nicht der Favorit.“ Zu den Medaillenfavoritinnen gehören auch die deutschen Fußballerinnen, schließlich sind sie Weltmeister. Und ihr erstes Spiel gegen China haben sie bereits 8:0 gewonnen.

Eine Medaille will auch das Hockeyteam der Männer. Schließlich wurde die Mannschaft 2002 Weltmeister und 2003 zum vierten Mal in Folge Europameister. Im Schießen haben die Deutschen in Sydney keine Medaille gewonnen, jetzt soll mehrmals Edelmetall her. Luftpistolen-Schützin Munkhbayar Dorjsuren, eine gebürtige Mongolin, und Schnellfeuerschütze Marco Spangenberg treten als aktuelle Weltmeister an.

Die deutschen Dressurreiter sind seit 1973 in der Mannschaft unbesiegt. Bis vor kurzem galten sie als die größten Goldkandidaten im deutschen Team. Doch dann sagte Weltmeisterin Nadine Capellmann ab, weil ihr Pferd Farbenfroh verletzt ist. Dafür gilt Ulla Salzgeber als Favoritin in der Einzeldressur. Und dann ist da noch Jan Ullrich, er hatte 2000 Gold im Straßenradrennen gewonnen und Silber im Zeitfahren. Da Tour-Sieger Lance Armstrong auf Athen verzichtet, stehen Ulrichs Chancen auf einen erneuten Olympiasieg ziemlich gut. Schon am Sonnabend kämpft er um Gold.

Franziska van Almsick wird natürlich nicht zusehen. Sie schwimmt am Sonnabend selbst. Und ihr ist es auch Recht, dass ihr Freund Stefan Kretzschmar, der Handballer, an diesem Tag nicht auf der Tribüne des Schwimmstadions sitzen wird. Die deutschen Handballer spielen an diesem Tag gegen Griechenland. „Ich brauche ihn nicht bei meinen Rennen. Jeder konzentriert sich auf seinen Sport.“ Für Franziska van Almsick wird das schwer genug.

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