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Sascha Klein will bei den Schwimmweltmeisterschaften in Barcelona hoch hinaus.

© AFP

Wasserspringen: Ein paar Schrauben zu locker

China dominiert im Turmspringen ähnlich wie im Tischtennis. Der Deutsche Sascha Klein kennt die Methoden der Chinesen aus eigener Erfahrung. Bei der WM in Barcelona hofft er dennoch auf eine Medaille.

In letzter Zeit fühlt sich Sascha Klein öfter mal auf dem Weg zum Greis – vor allem, wenn er sich in seiner Branche umsieht. Der Wasserspringer aus Dresden sagt nicht, dass er 27 ist – sondern dass er in zwei Monaten 28 wird. Ein kleiner Zeitsprung, der auch damit zu tun hat, was der Spezialist vom Zehn-Meter-Turm vor der WM in Barcelona, die am Freitag eröffnet wird, so alles berichten kann. Klein erzählt von jungen, in der Luft herumwirbelnden Kollegen, die inzwischen viereinhalbfache Delphinsaltos vorführen. Oder von dem Russen Wiktor Minibajew, der den zweieinhalbfachen Salto rückwärts neuerdings mit dreieinhalbfacher Schraube ins Becken bringt.

Bislang üblich waren bei dieser Übung zweieinhalb Schrauben – und Klein bläst die Backen auf. „Es hört einfach nicht auf, auch wenn man sich nicht wirklich vorstellen kann, dass noch etwas Neues kommt. Da staune ich schon“, sagt der gebürtige Rheinländer und winkt für sich selbst ab. „Ich bin zwar noch nicht alt, aber für meine Sportart schon älter“, weiß er. „Und ich denke nicht, dass ich von zehn Metern noch etwas Neues lernen werde. Das ist etwas für die Jüngeren, für mich ist das ausgereizt.“

Realitätssinn schützt jedoch nicht vor Medaillenwunsch – vor allem nicht beim Synchronspringen mit Turmpartner Patrick Hausding, das in der katalanischen Metropole am Sonntag auf dem Programm steht. Bei den Olympischen Spielen 2008 gewann das deutsche Duo Silber, vier Jahre später in London verpassten die beiden das Podium. „Dadurch ist der Wille natürlich noch ein bisschen größer geworden“, sagt Klein vor den Wettkämpfen über den Dächern von Barcelonas Altstadt und macht deutlich: „Im Synchronspringen ist das Ziel eine Medaille, die Farbe ist erst mal egal.“ Und im Einzel am darauffolgenden Sonntag möchte er gern ins Finale. „Alles Weitere sieht man dann.“

Auf jeden Fall ist mit einer Reihe drahtiger Springer aus China zu rechnen, die der internationalen Konkurrenz die Hacken zeigen wollen. Kaum eine andere Sportart wird von einem einzigen Land derart dominiert das Turmspringen von China. 3000 Wasserspringer trainieren dort professionell; und als Sascha Klein sechs Monate vor den Peking-Spielen die olympische Generalprobe gewann, war er in China mit einem Schlag bekannter als im eigenen Land. „Die haben gemerkt: Da ist ein Konkurrent, der springt auch ganz gut“, sagt Klein mit leicht wehmütigem Lächeln.

Das Lächeln vergeht dem Hauptfeldwebel der Bundeswehr allerdings, wenn er an die Trainingsmethoden denkt, die in China insbesondere in seiner Spezialdisziplin praktiziert werden. In Deutschland würden Nachwuchsspringer erst mit 16 Jahren zum Training auf den Turm gelassen werden, bei Vorlage einer ärztlichen Erlaubnis mit 14. „In China", murmelt Klein, „geht das teilweise schon mit acht, neun oder zehn Jahren los.“ Es gebe nämlich, moniert der DSV-Springer, „Risiken, die man bedenken sollte, wenn jemand so früh auf die zehn Meter geht. Das kann auch gesundheitsschädlich sein, wenn man einen unausgewachsenen Sportler da hoch schickt. Es gibt viele, die irgendwann kaputt waren und nicht mehr springen konnten.“

Die Möglichkeiten für komplexere und waghalsigere Sprüngen werden immerweiter ausgereizt, teilweise flankiert durch fragwürdige Trainingspraktiken wie in China. Auch Überlegungen, wie man im vierten Jahr nach dem Verbot der Hightechanzüge wieder regelmäßig Weltrekorde bei den Beckenschwimmern vermelden kann, werden angestellt.

Die Schwimmer starten am 28. Juli in Barcelona in ihre Wettkämpfe. Und um sie herum diskutiert der Weltverband Fina an der spanischen Rivera unter anderem darüber, ob Brustschwimmer auf den ersten 15 Metern künftig Delphinkicks machen dürfen, um die Rennzeiten zu frisieren. Oder ob Rückenschwimmer demnächst eine über dem Block angebrachte Starthilfe bekommen, mit der sie sich besser von der Wand abdrücken können.

Bereits Fakten geschaffen wurden bei den Springern. Das Klippenspringen taucht in Barcelona erstmals im Programm einer Weltmeisterschaft auf. „Ein Highlight“, sagt Sascha Klein. Und ein Highlight mit einem speziellen Vorzug: „Es gibt, glaube ich, keine Chinesen, die das machen.“

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