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Sport: Weine nicht, wenn das Eigentor fällt

Duisburgs Spielerinnen waren nahe dran an der Sensation – dann gewann Frankfurt doch noch

Berlin. Der Sprecher im Olympiastadion erklärte den Zuschauern schon einmal das weitere Prozedere: „Bei den Frauen gibt es keine Verlängerung, sondern gleich Elfmeterschießen.“ Das war nach 88 Minuten im DFB-Pokalfinale zwischen dem Favoriten und Bundesliga-Tabellenführer 1. FFC Frankfurt und dem Dritten, dem FCR 2001 Duisburg. In der 89. Minute war die Durchsage überholt. Frankfurts Spielmacherin brachte einen Freistoß in den Strafraum, Martina Voss und die kurz zuvor eingewechselte Pia Wunderlich stiegen zum Kopfball hoch – Tor. Der Sprecher nannte Wunderlich als Torschützin. Aber er irrte. Es war Martina Voss, die den Ball vorbildhaft mit dem Kopf zum 1:0 ins Netz wuchtete – zum Sieg für den Gegner. Die 35-jährige Spielführerin, viermalige Europameisterin und Vizeweltmeisterin von 1995 beendete ihre 20 Jahre dauernde Karriere mit einem Eigentor, „meinem ersten“, wie sie später erzählte. Eine Minute nach ihrem Treffer, schmissen sich die Duisburgerinnen auf den Rasen des Olympiastadions. Da lagen sie, auf dem Rücken, die Arme nach hinten gestreckt, die Beine aufgestellt. Fertig mit sich und der Welt. Neben ihnen hüpften die Frankfurterinnen, für die es der fünfte DFB-Pokalsieg in Folge war – ein Rekord, den bisher auch kein Männerteam aufzustellen vermochte.

Duisburgs Trainer Jürgen Krust schämte sich nach dem Spiel seiner Tränen nicht. Zu schnell wollte der ARD-Reporter den armen Mann befragen, nach dessen Einschätzung und seinem Gefühl. „Ich bin fassungslos“, stammelte Krust später, der selbst von der guten Leistung seines Teams „überrascht war“. Am Vortag hatte er die Chancen seines Teams noch mit 30:70 beziffert und dessen Unterlegenheit mit saloppen Worten erklärt: „Mit unserer sehr jungen Mannschaft gehören wir eigentlich in die Pampers-Liga. Wir haben frische Unterwäsche für die Jungen dabei, damit sie sie wechseln können, wenn sie die Hosen voll haben. Einige haben das Stadion noch nicht mal von außen gesehen.“ Frankfurt hingegen ist Dauergast vor großer Kulisse.

Bis die Pressekonferenz begann, verging einige Zeit - die Frankfurterinnen drehten noch eine Ehrenrunde. Krust saß mit versteinertem Gesicht zwischen seinen Spielerinnen Inka Grings und Martina Voss. Drei Häufchen Elend nebeneinander. Voss schüttelte immer wieder schweigend den gesenkten Kopf. Die 125-malige Nationalspielerin begriff nicht, was ihr da widerfahren war. Und dann versuchte sie, trotzdem das Beste aus der Situation zu machen: „Vielleicht ist es besser, dass es mir passiert dieses dumme Eigentor, als einer jungen Spielerin, die daran zu knabbern hat. Ich kann das jetzt im stillen Kämmerchen tun." Voss und die Duisburgerinnen hatten auf das Elfmeterschießen gehofft - im Gegensatz zu Frankfurt. Der Deutsche Meister und Uefa-Cup-Sieger 2002 war in dieser Saison im Uefa-Cup-Halbfinale an Umea aus Schweden gescheitert, eben im Elfmeterschießen.

Die Zuschauer im Stadion hatten dem Sieger zuvor freundlich applaudiert, aber nicht überschwänglich. Zu schwach hatte der Favorit sich in der ersten Halbzeit präsentiert. Was Frankfurt bot, war alles andere als Werbung für den Frauenfußball.

Nach der Pause machte Frankfurt wenigstens Druck, Duisburg wehrte ab. Nia Künzer traf zunächst aus vollem Lauf nur den Pfosten, später kam es noch zu „dem Tor, das ich glaubte, gemacht zu haben“. Nach einem Freistoß hatte Duisburgs Torhüterin den Ball nur abgeklatscht, Künzer staubte ab. Und die Schiedsrichterin entschied auf Abseits. Frankfurts Trainerin Staab jedenfalls stellte selbstbewusst klar: „Aufgrund der zweiten Halbzeit haben wir nicht unverdient gewonnen.“ Zu diesem Zeitpunkt hatten die Duisburgerinnen den Presseraum längst verlassen und waren in die Kabine geflüchtet. Vermutlich, um ein bisschen zu weinen.

Helen Ruwald

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