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Sport: Weiß-Blau-Rot statt Schwarz-Rot-Gold

Nach der Niederlage gegen Russland erhält das deutsche Eishockey-Team viel Lob – und grämt sich

Von Katrin Schulze

Die ersten Zuschauer hatten sich schon auf den Weg zum Pausenbier begeben, als sie von einem gewaltigen Sound erschüttert wurden. „Ti Sento“, die Torhymne der Tanzkombo Scooter, dröhnte in bisher nicht gekannter Lautstärke durch die Halle. Auf dem Videowürfel blinkte die Aufschrift „Goal“. Nach Exakt 39 Minuten und 59 Sekunden hatte Christian Ehrhoff die deutsche Eishockeynationalmannschaft im ersten Spiel der Zwischenrunde gegen Russland tatsächlich auf 1:2 herangebracht – und die deutschen Fans in der Kölnarena flippten komplett aus. Sie spürten, dass an diesem WM-Tag etwas gehen könnte gegen den großen Favoriten. Deutschland ärgerte Russland, den Rekordweltmeister.

Und am Ende ärgerten sich dennoch die Deutschen. Trotz bester Gelegenheiten verloren sie 2:3 (0:1, 1:1, 1:1) gegen das russische Starteam. „Es ist enttäuschend, wenn man so nah dran ist und es dann doch nicht schafft“, sagte ein sichtlich mitgenommener Christian Ehrhoff. „Wir hatten die Chance, das Spiel zu unseren Gunsten zu drehen.“ Es war ein absonderliches Bild, das sich direkt nach Spielschluss bot: Ehrhoff, der gerade erst aus Nordamerika zur deutschen Mannschaft gestoßen war, wurde von allen Seiten mit Lob nur so überhäuft – und schaute selbst drein, als hätte er gerade eine 0:8-Niederlage kassiert. Sein Gesichtsausdruck deutete an: Hier wäre eine Sensation möglich gewesen.

„Wir haben aggressiv gespielt, den Russen nicht viel Raum gelassen und selbst einige Torchancen herausgespielt“, befand auch der Bundestrainer. Tatsächlich erarbeitete sich die Mannschaft von Uwe Krupp sogar die besseren Chancen. Marcel Müller, Sven Felski, Michael Wolf, Christoph Ullmann, Christian Ehrhoff – sie alle kreuzten vor dem russischen Torwart Simeon Warlamow auf. Vergebens. Effektiver und cleverer stellten sich die Russen an diesem Abend schlicht an. Kapitän Ilja Kowaltschuk blieb es mit einem trockenen Schuss schließlich überlassen, die russischen Vertreter unter den 18 343 Zuschauern erstmals zum Toben zu bringen – „Rossija, Rossija“ schmetterten sie im Fortissimo von den Rängen.

Überhaupt bot sich der deutschen Eishockeynationalmannschaft bei ihrem vierten Weltmeisterschaftsauftritt eine abenteuerliche Kulisse. Zigtausende Russen bevölkerten und beschallten die Kölnarena am Samstagabend – Weiß-Blau-Rot statt Schwarz-Rot-Gold. Diese Farbtrilogie zog sich bis zum 2:0 von Nikolai Kulemin durch, der den Puck vorbei am deutschen Torhüter Dimitri Kotschnew über die Linie drückte. Ob die Profis aus Deutschland beeindruckt waren? Ganz und gar nicht. Vielmehr erstaunte es, wie frech sie auch weiterhin mitspielten. Angetrieben von Christian Ehrhoff, ihrem besten Mann auf dem Eis, bedrängte sie Russland auch nach dem Rückstand.

Dass Ehrhoffs Treffer vor der zweiten Drittelpause letztlich aber ebenso wenig half wie Alexander Bartas Tor im Schlussdrittel, lag vor allem an Russlands Superstar Alexander Owetschkin, der sich nach nur einem einzigen deutschen Abwehrfehler nicht lange bitten ließ – und verwandelte.

Was vom Abend übrig blieb, waren Gegensätze in Vollendung. Während die Anhänger Deutschland nach der Niederlage wie Sieger feierten, fand in der deutschen Mannschaft selbst kaum jemand viel Positives an dem Spiel – zu bitter gestaltete sich die Niederlage. Auch am Morgen danach schaute Uwe Krupp noch zerknirscht drein: „Wir können nicht zufrieden sein, wenn wir nur gut spielen und trotzdem verlieren.“ Viel Zeit, darüber nachzudenken, blieb seiner Mannschaft jedoch nicht. Nur 24 Stunden nach dem Russland-Spiel traten sie in der zweiten Zwischenrundenbegegnung schon wieder an, gegen Weißrussland (nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe). „Wir sind weiterhin hungrig“, versprach der Bundestrainer. Nach der Niederlage zum Auftakt könnte es für die Deutschen also noch von Vorteil sein, dass eine WM-Zwischenrunde aus drei Spielen besteht.

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