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Am Kragen gepackt. Der umstrittene Fifa-Boss Sepp Blatter will auf dem Fifa-Kongress zur Wiederwahl antreten – ohne Gegenkandidat.

© AFP

Weltfußballverband: Die gestörte Welt der Fifa

Sepp Blatter erhält Unterstützung vom suspendierten Jack Warner, der ihn tags zuvor stoppen wollte. Asiatische Delegierte reisen ab - die Briten wollen einen neuen Wahltermin.

Eben war die Welt noch heil, sie drehte sich am Hallendeckenhimmel gleichmäßig und leicht bewölkt. Dann kam Joseph Blatter. „Wir leben in einer gestörten Welt. Man muss sich nur die ganzen Naturkatastrophen ansehen. Wenn die Natur revoltiert, ist es normal, wenn auch die Menschen eine Revolte anstrengen“, sagte der Präsident des Fußball-Weltverbands Fifa, als er alleine auf der großen Bühne des Züricher Hallenstadions stand. Ist das also die Dimension der Fifa-Krise, eine Naturkatastrophe?

Und wenn, dann war Blatter derjenige, der die Menschheit davor warnen wollte. „Es ist Gefahr im Verzug“, rief er den Delegierten des Fifa-Kongresses zu, einmal, zweimal, dreimal. „Unsere Pyramide schwankt. Ich dachte, dass wir in einer Welt der Fairness und des Respekts leben. Aber das tun wir nicht. Oder nicht mehr.“ Was er genau damit meint, das will er den Delegierten Punkt für Punkt erläutern an diesem Mittwoch. Danach sollen sie ihn für weitere vier Jahre als Präsident der Fifa wählen.

Oder wollte Blatter vielleicht auch anspielen auf Jack Warner, den suspendierten Fifa-Vizepräsident? Der hatte nach seiner Suspendierung einen „Fußball-Tsunami“ angekündigt, Enthüllungswellen, die so manchen mit sich reißen könnten. Außerdem hatte er gefordert, Blatter zu „stoppen“. Doch ob Warners Verhalten noch eine Anspielung verdient, ist nach dem Dienstag eher unwahrscheinlich.

Warner, Präsident der Fußball-Konföderation von Nord- und Mittelamerika sowie der Karibik, steht noch mehr für die Verwirrung innerhalb der Fifa als Blatter selbst. Er galt früher als Vertrauter Blatters. So wie alle anderen 23 Mitglieder des Fifa-Exekutivkomitees. Doch dann schloss er sich Blatters Herausforderer Mohamed Bin Hammam aus Katar an und wollte ihm dabei helfen, Stimmen von karibischen Fußball-Funktionären zu kaufen. Dafür hat die Ethik-Kommission der Fifa beide suspendiert. Warner zerrte daraufhin allerlei Vertrauliches an die Öffentlichkeit. Er zitierte aus einer Mail des Fifa-Generalsekretärs Jerome Valcke, der geschrieben hatte, Katar habe die WM 2022 „gekauft“. Und Warner lud zu einer Pressekonferenz ein, auf der er die Namen von vier Mitgliedern der Fifa-Exekutive nennen wollte, die für zusammen 20 Millionen Dollar ihre Stimmen der Bewerbung Katars gegeben hatten. Vor einem Luxushotel warteten vierzig Journalisten auf den Enthüller und die Enthüllung. Doch nichts passierte.

Die vier Namen machten dennoch die Runde, Issa Hayatou aus Kamerun, Nicolaz Leoz aus Paraguay, Julio Grondona aus Argentinien und Rafael Salguero aus Guatemala. Sie haben zu den Vorwürfen noch keine Stellung genommen. Die Verwirrung machte Warner jedoch erst mit der Ankündigung komplett, seine karibischen Verbandsfunktionäre zur Wiederwahl Blatters überredet zu haben. Vielleicht hofft Warner darauf, dass nach dem Kongress alles vergessen ist und er wieder Fifa-Vizepräsident sein darf.

Doch die Zeit des Vergessens könnte vorbei sein bei dieser Veranstaltung. Dazu ist zu viel passiert. Am Dienstag sollen neun oder zehn Delegierte der asiatischen Fußball-Konföderation schon wieder nach Hause gefahren sein. Aus Protest gegen die Suspendierung von Mohamed Bin Hammam. Und die Verbände Englands und Schottlands kündigten an, eine Verschiebung der Präsidentschaftswahl zu beantragen. Sie bräuchten Zeit, um einen Gegenkandidaten zu Blatter zu finden. Der als Thronfolger gehandelte Michel Platini, Präsident des europäischen Fußball-Verbandes, erklärte, zum jetzigen Zeitpunkt nicht kandidieren zu wollen. Vom Deutschen Fußball-Bund war bislang weder Kritik noch Besorgnis zur Lage der Fifa zu hören. Wahrscheinlich ist die Dankbarkeit für die Fifa zu groß, die WM 2006 und die Frauen-WM 2011 geschenkt bekommen zu haben.

„Ein paar Momente der Freundschaft und der Entspannung“, wünschte Blatter den Delegierten der 208 Verbände bei der Eröffnungsfeier. Und von Jacques Rogge, dem Präsidenten des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), mussten sie sich noch anhören, dass das IOC schon viel weiter sei als die Fifa. „Wir hatten 2002 eine schwere Zeit.“ Auch damals ging es um Bestechung. „Man muss demütig sein. Aber ich bin sicher, dass auch die Fifa gestärkt aus dieser Situation hervorgeht“, sagte Rogge.

Wer von den Delegierten den Ernst der Lage immer noch nicht begriffen hatte, dem half die Sängerin Grace Jones. Sie stolzierte singend durch die Reihen des Kongresses und rief durch die Halle: „Wake up!“

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