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Sport: Weltklasse im Minirock

Wie Susanne Keil das Hammerwerfen populär machen will

Ulm. Eigentlich ist es ja nur ein normaler Minirock. Aber, nun ja, es ist ein Rock. Das ist der Punkt. Leichtathletinnen tragen keine Röcke. Und Hammerwerferinnen erst recht nicht. Hammerwerferinnen haben stämmige Beine, Übergewicht und starke Oberarme. So war das jedenfalls früher, und so ein Bild bleibt ja haften.

Susanne Keil ist 1,72 Meter groß, sie wiegt 69 Kilogramm, ihre Arme sind eher dünn, ihre Beine schlank, und sie trägt diesen Minirock. „Hammerwerferinnen müssen nicht übergewichtig sein, um Weltklasseweiten zu erreichen“, sagt sie. Sie ist doch das beste Beispiel dafür. In Ulm, bei den deutschen Meisterschaften, schleuderte sie den Hammer auf 71,15 Meter, eine Weltklasseweite. Sie gewann damit, aber sie hatte schon weiter geworfen. 71,93 Meter vor wenigen Wochen bei einem Meeting in Fränkisch-Crumbach. Damit katapultierte sie sich auf den dritten Platz der Weltjahresbestenliste und ist nun Medaillenkandidatin für die Weltmeisterschaft in Paris.

Damals in Fränkisch-Crumbach schlüpfte sie zum ersten Mal in diesen Minirock. Einfach so, aus der Laune raus. Einerseits. Aber natürlich auch, um ein Symbol zu demonstrieren. Hammerwerferinnen sind Frauen, sie sind genauso ästhetisch wie etwa Sprinterinnen oder Weitspringerinnen – das ist die Botschaft der Susanne Keil aus Frankfurt am Main. „Klar will ich das auch zeigen, deshalb werfe ich ja weiterhin im Minirock“, sagt sie. Er behindert nicht, der Rock. Ohne Rock, Ende Mai, hatte die 25-Jährige in Hengelo noch 69,69 Meter geworfen, das war deutscher Rekord. Anfang Juni steigerte sie die Marke auf 69,85 Meter. Dann kam Fränkisch-Crumbach.

Michael Deyhle, der Bundestrainer der Hammerwerferinnen, sagt, er würde es gerne sehen, dass Susanne Keil ein paar Kilogramm mehr wiegen würde. Darüber, erwidert die 25-Jährige, kann man reden. Zwei Kilogramm mehr, kein Problem. Machbar mit mehr Krafttraining. „Aber wenn ich mich vor dem Spiegel nicht mehr wohl fühle, ist Schluss.“ Bei vier Kilo mehr könnte zum Beispiel Schluss sein.

Sie muss ja nicht unbedingt zunehmen, nicht solange sie noch technische Reserven hat. Sie muss natürlich über die Technik das fehlende Körpergewicht ausgleichen. Ein grober Fehler, und der Hammer landet sofort nur bei 65 Metern. Sie hat sich mal den Rekordwurf von Fränkisch-Crumbach von einem Biomechaniker erklären lassen. Er entdeckte genügend Fehler. Der Hammer flog zu steil, die linke Ferse war nicht richtig reingedreht, genügend Reserven gibt es also. Susanne Keil kann noch ein oder zwei Meter zulegen.

Eigentlich ist sie ja Hürdensprinterin, Spezialität 60 Meter Hürden. Aber dann hatte sie mal diesen Bänderriss, konnte bei den hessischen Meisterschaften nicht laufen. Weil beim Hammerwerfen der Frauen nur zwei Sportlerinnen gemeldet waren, entschloss sie sich spontan, mit zu werfen – obwohl sie davon keine Ahnung hatte. Ein Trainer erklärte ihr vage, wie es funktioniert, und Susanne Keil warf die Vier-Kilogramm-Kugel 33,46 Meter weit. Vor ein paar Jahren war das. Susanne Keil war B-Jugendliche und mit dieser Weite für die deutsche Jugendmeisterschaft qualifiziert. Dort scheiterte sie allerdings mit drei Fehlversuchen. Aber sie blieb beim Hammerwerfen.

Natürlich hat sie nun auch eine kleine Mission. Das Hammerwerfen der Frauen soll raus aus seiner unbeachteten Nische. Keil sagt: „Es kann ja wohl nicht sein, dass beim berühmten Meeting in Hengelo die Stars am Sonntag ihren Wettkampf haben und wir am Freitagabend vor drei Zuschauern werfen müssen. Oder dass das Grand-Prix-Finale mit fast allen Disziplinen in Monaco stattfindet, Ausnahme Hammerwerfen der Frauen. Wir starten eine Woche vorher in Ungarn. Das ist unser Grand-Prix-Finale.“ Bei den deutschen Hammerwerferinnen gibt es fast schon so eine Leistungsdichte wie bei den Stabhochspringern und Stabhochspringerinnen. Sechs Athletinnen haben die A- oder B-Norm für die WM-Qualifikation übertroffen, das ist sensationell.

Aber das Hammerwerfen der Frauen muss erst mal richtig ankommen. Bis jetzt fällt Susanne Keil nur durch ihre Figur und ihren Minirock auf. Sponsoren? Die 25-Jährige nestelt kurz an ihrem Rock, dann sagt sie knapp: „Das ist ganz einfach. Ich habe keine.“

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