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Sport: Weltpremiere in Hamar

Warum Gold bei der Sprint-WM für Anni Friesinger etwas Besonderes ist

Berlin - Der Oberkörper war nicht ruhig genug, die Arme schwenkten zu hektisch, der ganze Bewegungsablauf war einfach nicht harmonisch genug. So sprintete Anni Friesinger früher, Helmut Kraus hat die Bilder noch gut im Kopf, er war schließlich, bis zu dieser Saison, zwölf Jahre lang Chef-Bundestrainer der deutschen Eisschnellläufer. Aber jetzt hat er Anni Friesinger in Hamar gesehen, bei der Sprint-Weltmeisterschaft in Norwegen, und Kraus sagt beeindruckt: „Die spurtet ja exzellent.“ Friesinger lief über 500 Meter 38,32 und 38,30 Sekunden, so schnell wie noch nie in dieser Saison. Und ihre 1:15,12 beziehungsweise 1:15,13 Minuten über 1000 Meter sind die schnellsten Zeiten, die jemals über diese Strecke in Europa und auf einer Flachlandbahn erreicht wurden.

Friesinger glänzt, das ist nichts Neues. Aber Friesinger ist 30 Jahre alt, diese Kombination macht ihren Erfolg so ungewöhnlich. Denn in Hamar holte sie den Titel in der Sprint-WM, und damit ist sie die erste Eisschnellläuferin der Welt, die in allen Weltmeisterschaften sowie bei Olympischen Spielen Gold gewonnen hat. „Dieser Titel ist das Zuckerl meiner Karriere“, erklärte sie den Reportern in Hamar. „Das ist ein Traum.“

Er ist ein Traum, weil er nicht ins Schema passt. Eine 30-Jährige, die eigentlich von der Langstrecke kommt, die eine glänzende 3000- und 1500-Meter-Läuferin ist, kann eigentlich nicht zugleich im Sprint glänzen. Der Sprint, das ist etwas für die Jüngeren, für die Sportlerinnen, die noch enorme Schnellkraft besitzen. Je älter Athleten werden, umso häufiger wechseln sie auf die längere Strecke, so ist das normalerweise. So ist das zum Beispiel in der Leichtathletik.

Aber so ist das nicht bei Friesinger. Das liegt natürlich auch daran, dass es im Eisschnelllauf weniger Weltklasse-Sportler gibt als etwa in der Leichtathletik. Das liegt aber auch daran, „dass Anni enorm viel Talent auch für die kürzere Strecke hat“, sagt Kraus. Früher, sagt Kraus, habe sie auf den kurzen Strecken ihre Kraft nicht optimal aufs Eis gebracht. „Aber im Lauf der Zeit ist sie da einfach sicherer geworden.“

Friesinger hat sich regelrecht von der Langstrecke auf die kürzeren Strecken vorgearbeitet. Vor zehn Jahren noch war sie eine 3000-Meter-Spezialistin, aber dann wurde sie auf den 1500 Metern immer stärker. „Das Potenzial für diese Strecken hatte sie schon immer, aber sie schöpft es jetzt stärker aus“, sagt Kraus. Drei Wochen nach den Olympischen Winterspielen 1998 gewann Friesinger erstmals einen WM-Titel über 1500 Meter. Aber sie verlor nicht ihre Fähigkeiten auf der Langstrecke. „Sie ist unheimlich variabel“, sagt Kraus. „Sie kann das Tempo gleichmäßig halten, sie kann aber auch problemlos das Tempo verschärfen.“ Über 5000 Meter wurde Friesinger 2005 sogar Weltmeisterin.

Ihr Problem war eher die Strategie. „Sie wollte immer alles, sie wollte bei jeder WM gewinnen, da hat sie überzogen“, sagt Kraus. Seit der frühere Weltklasseläufer Gianni Romme die Olympiasiegerin über 1500 Meter trainiert, wird das Programm entflochten. In dieser Saison verzichtete sie auf die Mehrkampf-EM, das hätte sie früher ohne Not nie gemacht. Allerdings hat auch der enorme Ehrgeiz der Anni Friesinger seine Grenzen. Um einen Einzel-WM-Titel über 500 Meter wird sie nie kämpfen, sagte sie in Hamar. „Das“, verkündete sie, „ist unmöglich.“

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