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Sport: „Wenn der Radsport so weitermacht, ist das bald Schlammcatchen auf Rädern“

Gerolsteiner-Chef Hans-Michael Holczer über die Dopinggeständnisse von Udo Bölts und Christian Henn

Herr Holczer, haben Sie sich die Pressekonferenz des T-Mobile-Teams angeschaut?

Natürlich. Eine sehr emotionale Veranstaltung.

Und inhaltlich?

War das alles nach den letzten Tagen nicht mehr so überraschend. Aber natürlich ist es gut und wichtig, dass sich solche Koryphäen wie Aldag und Zabel zu dem bekannt haben, was sie getan haben.

Gab es in der Szene Hinweise?

Nicht sehr viel mehr, als in den Medien vermutet wurde. Es wird nicht so viel geredet, wie man sich das vielleicht vorstellt.

Es heißt, Ihr Sportlicher Leiter Udo Bölts wollte ursprünglich neben Aldag und Zabel auf dem Podium sitzen.

Das wollte er. Aber er hat es vorgezogen, sich allein im Südwestfunk zu äußern.

Udo Bölts hat in diesem Interview die Einnahme von Epo gestanden. Er war als freier Mitarbeiter Sportlicher Leiter bei Ihnen. Gestern ist er zurückgetreten. Ihr hauptamtlicher Sportlicher Leiter Christian Henn hat ebenfalls ein Geständnis abgelegt.

Er ist seit sechs Jahren bei uns und hat Hervorragendes geleistet. Christian Henn steht für unsere Grundhaltung, für einen neuen, sauberen Radsport.

Sie haben einen guten Ruf zu verteidigen. Was machen Sie anders als andere Teams?

Wissen Sie, ich bin ja vor ein paar Jahren als Quereinsteiger mit diesem Team zum Profi-Radsport gekommen. Wir wollten anders sein und sind damals oft als naiv belächelt worden und werden es wohl noch heute, wenn wir wie für diese Saison fünf Novizen unter Vertrag nehmen. Bei einem reichte es als Referenz unter anderem, dass er in Gerolstein geboren wurde. In den ersten Jahren hatten wir kaum eine medizinische Betreuung vor Ort. Da war der Verbandskasten im Auto das einzige medizinische Utensil. Aber wir haben in all den Jahren systematisch ein Team mit der nötigen Grundhaltung geschaffen.

Das machen andere auch.

Ja, aber wir haben bei unserem Personal andere Maßstäbe gesetzt. Wir haben jetzt 18 fest angestellte Leute. Nur zwei waren vorher bei einem Profiteam tätig. Die Mechaniker habe ich aus Fahrradläden rekrutiert und die Pfleger direkt aus der Physiotherapie-Schule. Alles unverbrauchte Leute, die mit den Strukturen des Radsports nichts zu tun hatten. Jetzt kann man sehen, was für ein enormer Vorteil das ist.

Sind Sie nie enttäuscht worden?

Es gab den Fall eines Physiotherapeuten, der aushilfsweise bei uns tätig war und sich per E-Mail intensiv nach Dopingmitteln erkundigt hat.

So etwas führt bei Ihnen schon zur Kündigung.

Sie bleiben nur mit unbedingter Konsequenz glaubwürdig. Das bedeutet, dass schon der begründete Verdacht reicht.

So konsequent ist kaum jemand.

Doch, das Umdenken hat eingesetzt. Schauen Sie sich die französischen Teams an, da funktioniert es. Oder den neuen T-Mobile-Teamchef Bob Stapleton. Alles Leute, die es ernst meinen mit sauberem Sport. Aber was soll ich denn halten von einem Mann wie Johan Bruyneel …

… dem Chef des US-Teams Discovery Channel …

… der Ivan Basso einen Vertrag gibt. Wenn der Radsport so weitermacht, ist das bald wie Schlammcatchen auf Rädern. Aber dann bitte ohne uns!

Sie denken an einen Ausstieg?

Noch nicht, dafür bin ich zu optimistisch. Aber wenn der Zug in die falsche Richtung fährt, müssen wir uns vielleicht abspalten und in einer kleineren Gruppe weitermachen.

Das Gespräch führte Sven Goldmann.

Hans-Michael Holczer, 53, ist Teammanager des Teams Gerolsteiner. Dessen Sportliche Leiter Bölts und Henn haben gestanden, als Profis beim Team Telekom gedopt zu haben.

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