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Sport: Wenn der Samstag kommt: Leben mit der Dauerkrise

"Es war absurd zu glauben, dass das englische Ligasystem mit 92 professionellen Klubs lange überleben könnte. Und trotzdem machten alle munter weiter - als Mühlsteine am Hals eines ohnehin zum Untergang verurteilten Systems.

"Es war absurd zu glauben, dass das englische Ligasystem mit 92 professionellen Klubs lange überleben könnte. Und trotzdem machten alle munter weiter - als Mühlsteine am Hals eines ohnehin zum Untergang verurteilten Systems."

Das ist die Meinung des angesehenen Fernseh-Kommentators Martin Tyler. Gesagt hat er das nicht gestern oder vorgestern, sondern 1976. Aber es hätte auch letzte Woche sein können oder 1958, als die regionalen Ligen zur dritten und vierten englischen Profiliga zusammengefasst wurden. Denn von der Krise war seitdem immer die Rede.

Dabei gingen in den gut vier Jahrzehnten nur vier Profiklubs tatsächlich pleite: 1962 Accrington Stanley, 1992 Aldershot und Maidstone United sowie Newport County, das es 1981 immerhin bis ins Viertelfinale des Europapokals der Pokalsieger gebracht hatte und dort nur knapp an Carl Zeiss Jena scheiterte. Ende der Achtziger kam auch für Newport das Aus. Doch diese vier haben sich neu gegründet und arbeiten sich langsam wieder hoch.

Trotzdem spricht gerade jetzt wieder alles von einer Krise. Denn dem Pay-TV-Sender ITV Digital, der den Klubs außerhalb der Premier League mit viel Geld die Fernsehrechte abkaufte, geht es schlecht. Die TV-Manager überdenken im Moment, ob es denn wirklich attraktiv ist, sich donnerstags und sonntags Stockport gegen Crewe anzuschauen. Das Szenario: Im Sommer könnten Hunderte Profifußballer ohne Job dastehen.

Zu den Einbußen beim Fernsehgeld kommen hausgemachte Probleme. Etwa in Bury, wo ein großzügiger Sponsor sich als Börsenbetrüger entpuppte. Oder in Darlington, wo der Vereinsvorsitzende - ein rehabilitierter Tresorknacker - derzeit ein Stadion mit 25 000 Plätzen für eine Mannschaft baut, die im Durchschnitt 3500 Zuschauer anzieht. Oder aber bei York City, dessen Klubchef die vereinseigene Arena zu seinem persönlichen finanziellen Vorteil verscherbelt.

Im Notfall springt in England die Spielergewerkschaft ein. Derzeit steht sie für die Spielerlöhne bei zehn Klubs gerade, weil es Zahlungsschwierigkeiten gibt. Alles in allem aber gibt es heute weniger Gründe, an den Untergang zu glauben als 1976. Als Tyler die Krise beschwor, gingen die Zuschauerzahlen zurück. Heute steigen sie - auch in den unteren Klassen. Der Durchschnitt in der dritten Liga unter der eigenständigen Premier League, also in der vierten Spielklasse, lag zuletzt bei fast 4000 Zuschauern. Mehr gab es seit 1980 nicht.

Selbst wenn einigen Klubs tatsächlich das Aus droht: Bis jetzt fand sich fast immer ein Retter, der Zeit und Geld in hoffnungslose Fälle investiert. Denn das bringt großes Ansehen. Ein Profiklub ist immer noch wichtig für das Image einer englischen Stadt. Es mag altmodisch klingen, aber wir hoffen das Beste für die nächsten 40 Krisenjahre.

Mike Ticher

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