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Die kann das. Die junge Österreicherin Jessica Pilz ist eines der größten Talente der Szene.

© Imago/Eibner

Wenn die Halle ruft: Klettern als Massenerlebnis

Der Klettersport hat gerade in Großstädten immer mehr Zuspruch. Unser Schülerpraktikant David Dieckert hat sich in Berlin umgehört warum das so ist.

Klettern wird immer mehr zu einem Massenerlebnis. Es werden neue Hallen errichtet, immer mehr Gruppen entstehen und der Deutsche Alpenverein (DAV) wächst und wächst. Während Klettern damals nicht einmal als richtiger Sport angesehen, erfreut er sich immer größerer Beliebtheit und wird somit zur Trendsportart. Das lässt sich allein an dem breiten Spektrum von Besuchern einer Kletterhalle ablesen, denn heutzutage gehen nicht nur leidenschaftliche Kletterer, sondern auch Geschäftsleute, Senioren, junge Familien, Studenten und sogar Kinder klettern. Das dieser enorme Zuwachs gerade in Großstädten wie Berlin herrscht, ist auf den ersten Blick verwunderlich, da man Klettern eher den Bergen assoziiert, doch gerade die Mitgliederzahlen der Berliner Sektion sind zum einen sehr hoch, und haben zum anderen einen steilen Zuwachs. Der Deutsche Alpenverein hat gegenwärtig rund 1.054.000 Mitglieder. Vor zehn Jahren belief sich die Mitgliederzahl bloß auf 713.197 Mitglieder. Allein in der Berliner Sektion befinden sich 15.500 Mitglieder. Damit ist der DAV der fünftgrößte Sportverein in ganz Deutschland und das vor Vereinen wie Handball oder Leichtathletik. Es ist ebenso erstaunlich, dass die Mitglieder im DAV durchschnittlich immer jünger werden.

Doch wie kommt es dazu, dass gerade in Großstädten so ein enormer Zuwachs herrscht? Der stellvertretende Vorsitzende der Berliner Sektion erklärt sich diese Entwicklung folgendermaßen: „Wir sind vom Perfektionismus, der in der Arbeitswelt oft gefordert wird, viel weiter weg. Unsere Emotionen: Sorgen, Ängste, Versagensgefühle werden relativiert. Die Bewegung in ermöglichen daher vielleicht einigen Menschen sich von sich selbst und ihrem Erleben zu distanzieren - das wiederum befördert ein in unserer Zeit großes Ziel: Gelassenheit

In kurzer Zeit große Leistung bringen, konzentriert sein, so dass alles andere von einem abfällt. Hier geht es um Leistung und Genuss an der Bewegung, um Stolz über die bewältigte Route und das Überwinden von Angst.

Beim Klettern bekommen wir direkte Rückmeldung über unsere Leistung, das ist für unser inneres Belohnungssystem ein "gefundenes Fressen" - am Scheitern kann trainiert werden. Beim Klettern wirken Leistungsgefühl, das Spüren der eigenen Kraft und aufgrund der Angst vor dem Fallen, die völlige Konzentration auf das Hier und Jetzt, den Moment der Bewegung. Viele Kletterer berichten von der völligen Konzentration auf den nächsten Griff / Tritt - in einer Welt voller Sinneseindrücke und ständiger Ablenkungen, wird das als ausgesprochen stimmungsaufhellend und emotional entspannend empfunden. Es gibt noch andere Aspekte die diesen Sport so reizvoll machen. Beim Klettern braucht man zum Beispiel eigentlich nichts weiter als die nötige Ausrüstung und einen Partner. Klettern ist kein Sport für den man besonders „gut“ sein muss oder andere Voraussetzungen zu erfüllen hat, denn es gibt für jeden einen passenden Schwierigkeitsgrad nach dem er die Wahl seiner Routen treffen kann. Abgesehen davon gibt keinerlei Leistungsdruck, oder man muss irgendwelche Ergebnisse erzielen. Klettern fördert Kraft, Ausdauer, Motorik und Selbstbewusstsein und kann sich jeden Tag neue Erfolgserlebnisse schaffen. Somit kann praktisch jeder, ob klein oder groß, ob jung oder alt ob stark oder schwach, klettern.

Das "Freiklettern" wurde bereits vor 150 Jahren zu einem Sport

Als Geburtsstunde des Kletterns gilt die 1864 durchgeführte Besteigung des Falkensteins in der sächsischen Schweiz. Daraus entwickelte sich das sogenannte Freiklettern, welches sich dadurch auszeichnet, dass der Berg ohne jegliche Hilfsmittel erklommen werden muss. Das heißt, dass man zwar gesichert war, aber das Material nicht als Fortbewegungsmittel nutzen durfte, sondern nur mit dem Fels und dem Körper die Route besteigen durfte. Klettern hatte zu dieser Zeit bloß wenige Anhänger. Ab den 20er Jahren etablierte sich das technische Klettern, bei dem kaum richtig geklettert wurde, sondern oft Hilfsmittel wie zusätzliche Seile und Strickleitern genutzt wurden um selbst schwierigste Routen erklimmbar zu machen.

Das Ziel war, ganze Gebirgszüge zu erschließen und zugänglich zu machen. Es stand das Ziel und nicht der Weg im Mittelpunkt. Doch das technische Klettern stand unter Kritik. Den ursprünglichen Freikletterern fehlte beim technischen Klettern die Bindung und die Leidenschaft gegenüber dem Felsen. Es kam zu Protesten gegen die materialistische Nutzung des Felsens, welche sich sogar in der sächsischen Schweiz bemerkbar machte. Dieses Vorgehen vom technischen Klettern wurde als der „Mord am Unmöglichen“ bezeichnet. Das technische Klettern war in von den 60ern bis zu den 80ern populär, wird heute jedoch nur selten als Methode zur Ersteigung eines Felsens genutzt. Während dieser Protestphase um 1950 wurde das sogenannte “Bouldern“ populär.

Diese Art des Kletterns zeichnet sich dadurch aus, dass man ohne jegliches Zubehör eine kürzere, jedoch meist komplexere und anstrengendere Route, die möglichst in Absprunghöhe ist, erklimmen muss. Im Jahre 1986 wurde die erste DAV-Kletterhalle namens Monte Pinnow errichtet. Das war der Beginn zu einer neuen Epoche, dem Halllettern, welches mittlerweile die populärste Art zu Klettern ist. Heutzutage wird mit der stark zunehmenden Verbreitung von Kletterhallen eher Indoor als Outdoor geklettert. Freikletterer sehen das Hallenklettern vielmehr als Ausgleichssport an. Hallenklettern bietet viele Vorteile, da man sich nicht vom Wetter und anderen Faktoren abhängig machen muss. Das Hallenklettern ermöglicht auch einen enormen Zuwachs an Kletterern, da nun auch für Großstädter neue Möglichkeiten zu geboten sind. Es gibt drei verschiedene Arten des Hallenkletterns.

Hierbei unterscheidet man zwischen dem bereits oben erklärten Bouldern, dem sogenannten Toprope, bei dem ein Seil oben an der Route durch zwei Karabiner eingebunden ist, und mit beiden Enden am Boden liegt, wo sich jeweils Sicherer und Kletterer einbinden können um dann jeweils loszuklettern und zu sichern. Hierbei sind die beiden Partner so miteinander verbunden, dass wenn der Partner stürzt der Sicherer ihn mit seinem Körpergewicht ihn im Sturz aufhält. Zu guter Letzt, gibt es noch den eher anspruchsvollen Vorstieg, bei dem kein Seil am Routenende eingebunden ist, sondern wo der Kletterer ein Seil mitführt in dem er und sein Partner eingebunden sind und er immer wieder an Karabinern in der Kletterwand vorbeikommt, bei denen er sich immer neu einbindet und sich somit neue Sicherheitspunkte setzt. Leidenschaftliche Kletterer gehen natürlich oft noch zum Freiklettern raus, doch trotz alledem hat das Hallenklettern dem Klettersport damit neue Bereiche geöffnet. Nun hat praktisch jeder die Möglichkeit zu klettern, und es besteht aufgrund des hohen Angebots an DAV Gruppen heutzutage für jeden die Möglichkeit sich mit diesem Sport vertraut zu machen.

- David Dieckert hat beim Tagesspiegel ein Schülerpraktikum gemacht, hier ein weiterer Text von ihm

David Dieckert

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