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Sport: Wenn die Staatsgewalt kommt

Spanien hat auch ohne Antidopinggesetz viel erreicht, Italien mit dem schärfsten Gesetz dafür wenig

Berlin - Als Wolfgang Schäuble noch einfacher Abgeordneter war und kein Bundesinnenminister, hat er im Bundestag kein Antidopinggesetz gefordert, sondern das Gegenteil erwogen: „Wir wollen diese Mittel nur sehr eingeschränkt und unter absolut verantwortlicher Kontrolle der Sportmediziner einsetzen, weil es offenbar Disziplinen gibt, in denen ohne Einsatz dieser Mittel in der Weltkonkurrenz nicht mehr mitgehalten werden kann.“ Das war 1977. Schäuble sah den Westen in einem aussichtslosen Kampf gegen den flächendeckend dopenden Osten.

Diese Argumentationsgrundlage ist mittlerweile weggefallen. 30 Jahre später distanziert sich Schäuble von seinen Äußerungen und streitet für ein Antidopinggesetz. In Italien, Frankreich, Spanien, Belgien und Österreich ist Doping bereits per Gesetz verboten. In Deutschland gibt es eine andere juristische Grundlage. Hier verbietet das Arzneimittelgesetz nur den Handel mit Dopingsubstanzen. Der Athlet macht sich nicht persönlich strafbar. Besitz und Einnahme von Dopingmitteln sind straffrei.

Als Beleg für die Möglichkeiten des Staates führen viele gern die „Operacion Puerto“ an. Vor fast genau einem Jahr durchsuchte die spanische Polizei im Rahmen einer Großrazzia unter anderem das Labor des Madrider Frauenarztes Eufemiano Fuentes und beschlagnahmte dabei rund 200 Blutbeutel. Fuentes wurde ebenso festgenommen wie Manolo Sainz, der Chef des Rennstalls Liberty Seguros. Die lange und sorgfältig geplante Polizeiaktion lieferte die Beweise für breit angelegtes Doping, aber mit dem spanischen Anti-Doping-Gesetz hatte sie nichts zu tun. Das wurde nämlich erst ein paar Wochen später, am 29. Juni, verabschiedet. So dient die Operacion Puerto sowohl den Befürwortern als auch den Gegnern eines Gesetzes als Argumentationsgrundlage. Die einen verweisen auf die Notwendigkeit staatlichen Eingreifens. Die anderen, darunter prominente Experten wie der Heidelberger Zellforscher Werner Franke, argumentieren, der Staat habe auch über das Arzneimittelgesetz genug Möglichkeiten zur Einflussnahme, neue Paragrafen seien kaum mehr als politischer Aktionismus.

Als bislang letzte Nation bekam Österreich ein Anti-Doping-Gesetz. Der Nationalrat beschloss es im April des vergangenen Jahres unter dem Eindruck des Skandals bei den Olympischen Winterspielen 2006 in Turin. Damals hatten italienische Polizisten das Mannschaftsquartier der österreichischen Biathleten durchsucht und dabei Utensilien und Apparaturen beschlagnahmt, die gewöhnlich zum Blutdoping verwendet werden.

Das österreichische Gesetz hat vor allem präventiven Charakter, es verpflichtet die einzelnen Sportverbände dazu, Betreuer zu Anti-Doping-Kämpfern auszubilden. Und es geht dem Sport ans Geld. Bei Verstößen werden keine Bundesfördermittel ausgezahlt.

Die sanften Österreicher stehen im krassen Gegensatz zu ihren italienischen Nachbarn. Die Italiener haben das härteste Anti-Doping-Gesetz der Welt. „Wer dopt, geht ins Gefängnis“, titelte „La Repubblica“, als das Gesetz vor sieben Jahren verabschiedet wurde. Anders als in Frankreich wird in Italien auch zivilrechtlich gegen gedopte Sportler vorgegangen. Neben Geldstrafen von bis zu 50 000 Euro sieht das Gesetz Haftstrafen von drei Monaten bis zu drei Jahren vor. Nach der Verabschiedung des neuen Gesetzes wurde dem Nationalen Olympischen Komitee (Coni) die Zuständigkeit für die Verfolgung von Dopingdelikten entzogen. Die Zuständigkeit liegt jetzt beim Gesundheitsministerium.

Damals waren die Italiener die Avantgarde im Kampf gegen den Sportbetrug. Heute sind sie es wieder – aber auf eine andere Weise. Sportministerin Giovanna Melandri forderte bereits, dass Sportler sich künftig nicht mehr vor der staatlichen Justiz, sondern vor Sportgerichten verantworten sollten, also für die Einnahme verbotener Substanzen nur durch Sportgerichte und nicht mehr wie bisher auch durch die staatliche Justiz bestraft werden können. Sie argumentiert, die Strategie der Dopingbekämpfung habe nicht die erhofften Resultate bewirkt und müsse deswegen revidiert werden.

Ins Gefängnis ist übrigens in den vergangenen sieben Jahren kein einziger italienischer Sportler gegangen.

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