zum Hauptinhalt

Sport: Wenn die Werkstatt-Türen schließen

Wie die Formel-1-Teams in der kommenden Saison das Teamorder-Verbot umgehen können

Berlin. In der Ferrari-Box hat mal ein Mechaniker während eines Formel-1-Rennens bei einem Boxenstopp einen neuen Reifen nicht gefunden. Eddie Irvine, der damals noch für Ferrari fuhr, saß hilflos in seinem aufgebockten High-Tech-Auto. Mit drei Reifen und noch mehr Wut. Ein Fotograf deutete schließlich auf den gesuchten vierten Reifen, die Mechaniker schraubten den Pneu hektisch an den Boliden. Trotzdem verlor Irvine mehr als 20 Sekunden.

So könnte man es natürlich auch machen. Einfach eine Panne vortäuschen. So könnte man das neue Teamorder-Verbot in der Formel 1 in der kommenden Saison auch umgehen. Ein Team darf nun nicht mehr per Regieanweisung festlegen, welcher seiner Piloten zuerst ins Ziel kommt. Ferrari-Fahrer Rubens Barrichello hatte im Sommer auf Anweisung aus der Ferrari-Box seinen Teamkollegen Michael Schumacher beim Großen Preis von Österreich noch kurz vor der Ziellinie passieren lassen müssen.

Aber eine vorgetäuschte Panne ist vielleicht doch zu plump. Außerdem nur zum einmaligen Gebrauch. „Ach was, man kann doch viel einfacher, vor allem aber unauffälliger betrügen“, sagt ein langjähriger Formel-1-Ingenieur, der nicht genannt werden will. „Das Verbot ist doch nichts als eine große Veräppelung der Zuschauer.“ Man muss ja nur dafür sorgen, dass das Auto des schwächeren Fahrers etwas langsamer fährt als jenes der teaminternen Nummer eins.

Wer diesen Unterschied will, schließt erst mal seine Werkstatt-Türen. Dann kann ungestört an der Aerodynamik oder an der Elektronik des Fahrzeugs manipuliert werden. Zum Beispiel an den Miniflügeln, die am Ende der großen Heck- oder Frontflügel angebracht sind. Fachleute nennen die winzigen Teile Flaps. So ein Flap ist rund 40 Millimeter hoch und acht Millimeter dick. Aber er hat eine ungeheure Bedeutung. „Ein Flap auf dem Frontflügel sorgt für bis zu 30 Prozent des Gesamtabtriebs der Vorderachse“, sagt der Ingenieur. Je größer der Abtrieb, desto stärker haftet das Fahrzeug auf dem Asphalt, und desto schneller ist es in den Kurven. Wenn man den Winkel eines solchen Miniflügels nur um ein paar Grad verändert, haftet das Fahrzeug schlechter. „Und damit verliert das Auto pro Runde bis zu einer halben Sekunde Zeit.“ Mit bloßem Auge ist die Veränderung kaum zu sehen. „Aber diese Manipulation ist kurz vor blöd“, sagt der Ingenieur. Also auch noch zu plump.

Vielversprechender ist ein Eingriff in den Motor. Jeder der empfindlichen Motoren wird auf das Wetter und die Höhenlage der Strecke eingestellt. Herrscht ein Luftdruck von 1000 Millibar, wird die Maschine diesem Wert angepasst. Wer will, dass ein Auto etwas langsamer fährt als möglich, der muss lediglich so tun, als herrschten 1050 Millibar. Dann wird etwas mehr Sprit als erforderlich in den Motor gejagt. Das Auto beschleunigt dann zwar besser, aber es verbraucht mehr Sprit und kommt nicht auf die Topleistung. „Das kostet vier bis fünf Prozent der Spitzenleistung“, sagt der Ingenieur. Oder man baut in das Fahrzeug, das langsamer als das des Kollegens sein soll, eine so genannte Visko-Kupplung mit geringerer Sperrwirkung ein. Damit verringert sich die Haftung der Reifen in der Kurve, und das Auto beschleunigt nicht mehr optimal.

Die Kontrolleure des Motorsport-Weltverbandes Fia können zwar alle elektronischen Daten der Teams abfragen und kopieren, nur nützt ihnen das wenig. „Man muss schon alle Werte zusammen sehen, um Betrug nachweisen zu können.“ Und das ist schier unmöglich. „Erstens können überhaupt nur rund 20 Leute alle Daten lesen, zweitens dauert es mindestens drei Wochen, alles zu entziffern.“ Und falls ein Team seine Daten verschlüsselt, müssten die Kontrolleure sowieso kapitulieren.

Wenn sich ein Team die Feinarbeit spart und nicht am Motor, sondern an den Flaps manipuliert, ist das zwar bei einer Kontrolle leichter zu entlarven. Doch der Ingenieur sagt: „Dann kann man immer noch behaupten, ein Mechaniker habe geschlampt.“ Klingt unglaubwürdig? „Natürlich, aber die Fia muss einen Betrug beweisen.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false