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Sport: Wenn die Wirklichkeit dich überholt

Berlins Fußball-Bundesligist Hertha BSC hat hohe Ansprüche – aber die Spieler können sie einfach nicht erfüllen

Von André Görke

und Klaus Rocca

Berlin. Hertha BSC hat die Champions League als Saisonziel ausgegeben und steht derzeit auf einem Abstiegsplatz. Anspruch und Wirklichkeit passen nicht zusammen. Die Mannschaft hat nach den Abgängen von Preetz, Sverrisson und Beinlich den Umbruch bisher nicht verkraftet. Vielleicht wurde sie auch nicht genügend verstärkt. Die Schwächen und Stärken des Kaders:

Gabor Kiraly: Der ungarische Nationaltorhüter hat in drei der fünf Spiele kein Tor kassiert, in den Duellen mit Bremen (0:3) und Hannover (2:3) wurde er ein Opfer der unsicheren Abwehr.

Marko Rehmer: Er ist von früherer Bestform entfernt. Was beim Länderspiel gegen Schottland ebenso deutlich wurde wie gegen Hannover, als er gegen schnelle Gegenspieler oft zu spät kam. Dabei hat ihn Stevens gerade wegen seiner Schnelligkeit zentral in der Abwehr spielen lassen. Auch konnte sich Rehmer selten ins Angriffsspiel einschalten. Darin lag früher seine Stärke.

Josip Simunic: Rettete im Spiel gegen Hannover zweimal in höchster Not. Er wird wieder – gemessen an den ersten Saisonspielen – stärker, gewann gegen Hannover 88 Prozent seiner Zweikämpfe.

Dick van Burik: Der 29-Jährige ist nicht der Antrittsschnellste und wirkt behäbig in seinen Bewegungen. Mit seiner Erfahrung und seiner Stellung im Team hätte er das Team nach Hannovers Anschlusstreffer aber führen können. Stevens widerspricht dem: „Wir haben mit van Burik auch 0:3 gegen Bremen verloren.“ Die Vorgabe war es, „offensiv zu spielen“. Trotzdem: Wenn der Kapitän auf der Bank sitzt, verliert die Mannschaft einen Führungsspieler.

Arne Friedrich: Er ist auf der rechten Verteidiger-Position stärker als Rehmer, weil er taktisch und technisch besser ist. Gegen Hannover spielte er wie zuletzt in der Nationalmannschaft im eher defensiven Mittelfeld – aber längst nicht so gut.

Niko Kovac: Seine Flanken kommen selten an, seine Eckbälle gar nicht, weil sie stets nur halbhoch auf den ersten Pfosten getreten werden. Führungsspieler? Nein. Er verliert viele Bälle im Aufbauspiel, ihm mangelt es an technischer Klasse. Gegen Hannover schlug er kurz vor der eigenen Torauslinie den Ball ins Seitenaus, weil fünf Meter vor ihm ein Gegenspieler stand. Folge des Einwurfes: Es fiel das 1:2. „Dadurch kam die Unsicherheit“, sagt Stevens. In dieser Form hilft Kovac der Mannschaft nicht.

Michael Hartmann: Mal spielt er in der Vierer-Abwehrkette, mal – ähnlich wie Friedrich – offensiver im Mittelfeld. Überzeugen kann er weder hier noch dort – überzeugt von ihm ist nur Teamchef Rudi Völler. Hartmann ist derzeit keine Verstärkung, er ist unsicher und hat taktische Mängel. Eine Alternative auf der Position des linken Außenverteidigers wäre vielleicht Malik Fathi. Der ist gut ausgebildet und wirkt selbstsicher.

Pal Dardai: Gegen Hannover hätte er als „Ausputzer“ vor der Abwehr vielleicht das Schlimmste verhindert – wenn er wieder die Form erreichen würde wie in der Vorbereitung. Saß gegen Hannover auf der Bank. Wegen seiner Schussqualitäten wird er dennoch in die Stammelf zurückkehren.

Alexander Madlung: Wurde in Frankfurt erstmals eingewechselt, durfte gegen Hannover von Anfang an spielen. „Weil er im Pokal gegen Reutlingen überzeugt hat“, sagt Stevens. Der 1,93-m-Mann wirkt ein wenig hölzern, erweckt durch seinen Körperbau aber Respekt. Er besitzt Perspektiven.

Bart Goor: Goor hat die beste Zeit wohl hinter sich. Er ist im linken, offensiven Mittelfeld derzeit Mitläufer. Leitete zwar das 2:0 ein, fällt aber vor allem dadurch auf, dass er Chancen vergibt – und zwar konsequent. Seine Flanken? Unbrauchbar für Bobic.

Andreas Neuendorf: Er ist noch nicht fit. Versteht etwas von Taktik und könnte die Mannschaft mit seinem Charisma führen.

Thorben Marx: Durch seinen Kreuzbandriss ist er in den nächsten sechs bis acht Monaten kein Thema.

Roberto Pinto: Als er in Frankfurt eingewechselt wurde, hat er läuferisch überzeugt – nicht aber mit seiner Chancenverwertung. Da sich auch Bartosz Karwan kaum aufdrängt, liegt im rechten, offensiven Mittelfeld Herthas große Schwäche.

Marcelinho: Wie sehr er fehlt, wird gerade jetzt deutlich. Nach seinem Fußbruch wird er noch etwa vier Wochen ausfallen.

Artur Wichniarek: Er sah gleich im zweiten Spiel gegen Stuttgart die Rote Karte. Gegen Bremen war er wieder dabei – ohne aber wirklich da zu sein. Torgefährlichkeit geht von ihm bislang nicht aus, er lässt sich rechts zu tief fallen – weil dort niemand nachrückt.

Fredi Bobic: Bis zum Spiel gegen Bremen misslang ihm fast alles, dann deutete er mit seinen beiden Toren an, dass er die Erwartungen doch erfüllen kann. Vielleicht auch als Führungsperson. Gegen Hannover tauchte er nach der Pause allerdings unter, weil er aus dem überforderten Mittelfeld keine Unterstützung mehr bekam. Erst wenn Marcelinho wieder da ist, darf Bobic auf gute Flanken hoffen.

Alexandar Mladenow : Durfte gegen Hannover erstmals von Anfang an auf der linken Angriffsseite mitspielen, beeindruckte wie in Reutlingen durch seine Technik.

Luizao: Gab gegen Hannover für neun Minuten seinen Saisoneinstand. Es bleibt die vage Hoffnung, dass er seine Verpflichtung doch noch rechtfertigt.

Nando Rafael: Weil er laufstark ist, ähnelt er eher Wichniarek. Und der 19-jährige Angolaner scheint noch die beste Alternative zu dem Polen zu sein. Zumindest im Hinblick auf die Zukunft.

André Görke, Klaus Rocca

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