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Sport: Wenn Frau Wassilew weint

Der 1. FC Union nimmt sich Huub Stevens und Schalke zum Vorbild: Der Trainer soll bis zum Saisonende bleiben

Von Karsten Doneck

Berlin. Der Beginn der Pressekonferenz verzögerte sich ein wenig. Hinter den Mikrofonen war links neben Heiner Bertram noch ein Platz frei. Wohl um die Wartezeit zu verkürzen, nahm Bertram ungefragt das Wort. „Meine Herrschaften“, sagte der Präsident des 1. FC Union feierlich und wies mit dem Kopf auf den leeren weißen Plastikstuhl neben sich, „nur damit keine Missverständnisse entstehen: Noch ist dieser Stuhl besetzt.“ Und als seien diese Worte eine Zauberformel, spazierte prompt Unions Trainer Georgi Wassilew ins Pressezelt des Stadions an der Alten Försterei und nahm den ihm gebührenden freien Platz ein, um aus seiner Sicht das 2:2 seiner Mannschaft am Freitagabend gegen die SpVgg. Greuther Fürth zu kommentieren.

Wenn Präsident Bertram zu derlei Scherzen aufgelegt ist, dann zeigt das, dass sich Georgi Wassilew mit seiner tags zuvor bekannt gegebenen Entscheidung, den am Saisonende auslaufenden Vertrag nicht verlängern zu wollen, bei Union keineswegs zwischen die Stühle gesetzt hat. Das Gentleman-Agreement zwischen beiden Seiten steht jetzt unverrückbar, momentan jedenfalls. Es besagt, wie Geschäftsführer Bernd Hofmann noch einmal darlegte: „Wir haben einen Vertrag mit Herrn Wassilew bis Saisonende, er macht seine Arbeit sehr professionell, die Mannschaft zeigt, wie man gegen Fürth gesehen hat, den entsprechenden Einsatz – was sollten wir also ändern?" Ende der Debatte.

Aber: Hält das Band zwischen Wassilew und Union auch im Falle einsetzender Misserfolge? Bei Hertha BSC zum Beispiel verlief die Trennung von Trainer Jürgen Röber nach typischen Fußball-Gesetzmäßigkeiten: Erst wurde frühzeitig verkündet, Röber werde zum Saisonende gehen, dann geriet die Mannschaft in eine sportlich triste Phase, schon war Röber weg und Falko Götz da. Hofmann berühren derlei Vergleiche nicht. „Das Gegenbeispiel ist doch Schalke 04 und Huub Stevens in der vorigen Saison. Da klappte das doch auch“, sagt er.

Ein vorzeitiger Trainerwechsel passt Union schon aus finanziellen Erwägungen heraus nicht ins Konzept. Der Etat für diese Saison hat noch immer Löcher im mittleren sechsstelligen Euro-Bereich. Woher sollte also das Geld genommen werden, um Wassilew eine Abfindung zu zahlen oder möglicherweise bis Saisonende zwei Trainer auf der Gehaltsliste zu haben? Union verkündet also überall treuherzig, mit Wassilew die Saison durchzustehen, komme, was wolle. Zugleich wehrt sich die Vereinsführung gegen den Vorwurf, man hätte dem Trainer ja schon mal vorher ein paar Fingerzeige hinsichtlich seiner persönlichen Zukunft bei Union geben können. Hofmann dazu: „Ich kann den Trainer doch nicht ans Händchen nehmen und mit ihm im Stadion herumlaufen, damit jeder sieht, wir wollen mit ihm verlängern."

Wassilew selbst erfuhr bei der Partie gegen Greuther Fürth von den Rängen deutlich, welcher Wertschätzung er sich in der Wuhlheide erfreut. Transparente, immer wieder Sprechchöre mit seinem n – für Wassilew war das Gänsehautatmosphäre. „Unsere Fans sind unglaublich, diese Leute werde ich nie vergessen“, sagte er voller Rührung. Seine Ehefrau Sewda, so hat der Trainer erzählt, soll daheim in Altglienicke sogar ein paar Tränen vergossen haben, als er ihr von seinem Entschluss, der Trennung von Union im Sommer 2003, berichtete. Aber alle Gefühlsduseleien können ihn nicht mehr umstimmen. „Es gibt ein bulgarisches Sprichwort“, sagt Wassilew und versucht, es ins Deutsche zu übersetzen, „das heißt in etwa so: zehnmal überlegen, einmal sagen.“ Wassilew hat intensiv überlegt, und er hat alles gesagt.

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