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Sport: Wenn Hamann Engländer wäre ...

LONDON .In Englands Fußballmeisterschaft der Premier League schien es Ende Dezember äußerst ruppig zuzugehen.

LONDON .In Englands Fußballmeisterschaft der Premier League schien es Ende Dezember äußerst ruppig zuzugehen.Insgesamt vier Spieler hatten die Rote Karte gezeigt bekommen: Patrick Vieira (Arsenal London), Paulo Wanchope (Derby County), Dietmar Hamann (Newcastle United) und Dajan Stefanovic (Sheffield Wednesday).Die Kommentatoren aber waren sich anschließend einig: In allen vier Fällen geschah der Platzverweis zu Unrecht.

Ein Blick auf Hautfarbe und Nationalität ließ - nicht zum ersten Mal - einen Verdacht aufkommen: Englands Fußball und sein Dachverband Football Association (FA) sind trotz der großen Zahl von ausländischen Spielern und Spielern schwarzer Hautfarbe rassistisch und ausländerfeindlich eingestellt.Das glaubt auch Dietmar Hamann."Wäre ich Engländer, wäre ich nicht vom Platz gestellt worden", sagt der deutsche Nationalspieler, der bereits nach 30 Minuten vom Platz mußte.

Sir Hermann Ouseley liegt es fern, diese Entscheidungen der Schiedsrichter zu bewerten, doch der Präsident der von der britischen Regierung ins Leben gerufenen "Commission for Racial Equality" (CRE) hält den Verdacht für berechtigt: "Englands Fußball ist institutionell rassistisch, und die FA nimmt dieses Problem nicht zur Kenntnis." Die Football Association hat keinen Funktionär, der einer ethnischen Minderheit angehört, und sie unternimmt nichts, um dies zu ändern.Ousley: "Die FA unterstützt unsere Kampagne gegen Rassismus im Fußball mit finanziellen Mitteln und denkt, damit sei genug getan." Der letzte wirkliche Beitrag des Verbandes zum Abbau der Rassenschranken liegt schon zwei Jahre zurück: Mit Beginn der Saison 1996/1997 wurde mit Uriah Rennie der erste Unparteiische schwarzer Hautfarbe für die Premier League lizenziert."Seitdem", sagt Ouseley, "hat die FA ihren Vorzeige-Schwarzen." Und der reicht ihr offensichtlich.

Wie wenig sich die FA um den Rassismus im Alltag schert, wurde im vergangenen September nach einem Europameisterschafts-Qualifikationsspiel gegen Schweden deutlich.Damals hatte der europäische Fußball-Verband UEFA eine Geldbuße in Höhe von 28 000 Pfund (knapp 78 000 Mark) gegen England ausgesprochen, weil nach Stockholm gereiste englische Fans den farbigen schwedischen Stürmer Henrik Larsson rassistisch beschimpft hatten.Anstatt betreten zu schweigen und die Strafe zu akzeptieren, legte die FA Protest ein und machte sich damit in der Öffentlichkeit unmöglich.Die UEFA wies den Einspruch zurück.

Bei diesem Länderspiel wurde auch deutlich, daß die FA sehr wohl zwischen englischen und ausländischen Spielern unterscheidet.Nach seinem Platzverweis in Stockholm hatte Paul Ince Englands Assistenztrainer John Gorman mit einer obszönen Geste beleidigt.Der (farbige) Mittelfeldspieler des FC Liverpool kam mit einer Ermahnung und einer geringen Geldstrafe davon.Für eine fast identische Geste mußte Arsenals farbiger Mittelfeldspieler Patrick Vieira hingegen 20 000 Pfund (56 000 Mark) zahlen.Vieira, der aus Senegal stammt und für Frankreich spielt, hatte sich im Spiel gegen Derby County gegen rassistische Beschimpfungen der gegnerischen Fans gewehrt.

Auch die Strafe gegen Sheffield Wednesdays Stürmer Paolo di Canio, der Ende September im Heimspiel gegen Arsenal nach einem Platzverweis Schiedsrichter Paul Alcock umgestoßen hatte, empfanden neutrale Beobachter als ein weiteres Indiz für offene Ausländerfeindlichkeit.Der Italiener erhielt eine Sperre von elf Spielen - drei Spiele für die rote Karte, acht Spiele für die Tätlichkeit gegen Alcock.Der englische Nationalspieler David Batty fand für ein vergleichbarers Vergehen weitaus mildere Richter.Der Stürmer der Blackburn Rovers hatte im Spiel gegen Newcastle Schiedsrichter David Elleray attackiert und wurde lediglich für sieben Spiele gesperrt - sechs für seinen insgesamt dritten Platzverweis der Saison, aber nur ein Spiel für den Angriff gegen den Schiedsrichter.

Rassismus und Ausländerfeindlichkeit zeigen sich aber auch an der Basis des englischen Fußballs.Am schlimmsten ist es im Osten Londons, wo der Anteil der ethnischen Minderheiten am höchsten ist.Weil sie genug hatten von Beschimpfungen und Ausschreitungen, gründeten Asiaten dort ihre eigene Liga.

MARTIN PÜTTER

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