zum Hauptinhalt
André Lange und Kati Wilhelm waren zwei der erfolgreichsten Wintersportler der vergangenen Jahre.

© dapd

Wintersport: "Wenn ich sehe, was die Jungen heute machen, komme ich ins Grübeln"

Die zurückgetretenen Wintersportler Kati Wilhelm und André Lange über Comebacks, die Strapazen des Winters – und den Nachwuchs im Biathlon und Bob.

Herr Lange, Frau Wilhelm, am Donnerstag beginnt die Bob-Saison mit dem Weltcup in Whistler, in der Woche darauf die Biathlon-Saison in Östersund. Denken Sie schon an ein Comeback?

ANDRÉ LANGE: Die Wahrscheinlichkeit, dass ich noch mal direkt an die Steuerseile zurückkehre, liegt bei null Prozent.

KATI WILHELM: Das finde ich gut! Ich sage auch null. Ich kann das kategorisch ausschließen.

Wie kann man sich denn da so sicher sein?

WILHELM: Biathlon ist kein Sport, bei dem du nach ein, zwei Jahren einfach wieder einsteigen kannst. Du musst dich permanent fit halten. Mein Leistungszustand ist schon jetzt rapide gesunken – ich mache wenig.

LANGE: Ich finde es super, ohne schlechtes Gewissen relaxen zu können. Unter meine aktive Karriere habe ich einen Schlussstrich gezogen. Unter anderem auch, weil Bobfahren gefährlicher ist, als es aussieht. Es ist eine Rennsportart.

Es gibt viele Beispiele von Sportlern, die ein Comeback gewagt haben. Nehmen Sie Michael Schumacher – auch Rennfahrer.

WILHELM: Warum der wieder fährt, kann ich mir auch nicht erklären. Bei ihm sieht man, dass man auch viel kaputt machen kann, wenn man zurückkehrt.

LANGE: Naja, dem Schumi traue ich ganz bestimmt zu, dass er im nächsten Jahr wieder vorne angreifen wird.Aber er hat im Vergleich zu mir und meinem Sport einen ganz großen Vorteil: Er hat ein Gaspedal und eine Bremse. Er entscheidet selbst, wie schnell er fährt.

WILHELM: Viel hängt davon ab, ob man mit sich im Reinen ist. Für mich war es immer wichtig, den richtigen Punkt zu erwischen. Ich habe viel erreicht, und das möchte ich auch so stehen lassen.

LANGE: Das kommt hinzu. Ich bin 28 Jahre lang den Berg runtergefahren – erst als Rodler, dann als Bobfahrer. Das war ’ne Riesenzeit, und die möchte ich so in Erinnerung behalten.

Wie plant man ein Karriereende?

LANGE: 2006 stand ich in Whistler an der Bobbahn, die damals noch eine Baustelle war. Ich habe mir das Panorama angeguckt und gedacht: Das ist der richtige Ort, um aufzuhören. Von da an habe ich mir im Kopf eine Karte gesteckt und versucht, alles so hinzukriegen, dass es erfolgreich wird. Für mich war immer klar, dass am 27. Februar 2010 der Hebel fällt.

WILHELM (lacht): Bei mir lief dieser Prozess innerhalb von drei Tagen ab. Es war eine spontane Entscheidung, die ich aber überhaupt nicht bereue. Während der Olympischen Spiele war ich mir noch relativ sicher, dass ich weitermache und habe mir schon meinen Saisonaufbau für das nächste Jahr überlegt. Dann war ich zu Hause, habe ein paar Gespräche geführt und plötzlich sah es anders aus.

Was hat sich in der kurzen Zeit verändert?

WILHELM: Der ganze Leistungsdruck und die psychische Belastung: Ich habe gemerkt, das brauche ich nicht mehr. Ich will nicht erleben müssen, dass alle an mir vorbeiziehen. Es ging mir um meinen Ruf.

LANGE: Schon in den letzten Jahren war der körperliche Aufwand, den ich im Vergleich zu den Jüngeren betreiben musste, immens hoch. Und die Erholung dauert doppelt so lange wie bei der Jugend. Auf der anderen Seite hatte ich auch alles gewonnen, was man im Bobfahren gewinnen kann. Ich habe da keine Ziele mehr.

Was kommt in Ihrem Sport nach Ihnen?

WILHELM: Wir stehen beim Biathlon in Zukunft wohl nicht mehr so geschlossen da – die Dichte im Nachwuchs ist nicht so hoch. Auf Magdalena Neuner und Andrea Henkel lastet jetzt der Druck alleine. Aber es ist auch eine Chance für die, die jahrelang auf dem Sprung waren.

LANGE: Ich mache mir etwas Sorgen. Wenn ich die Arbeit des Bob-Nachwuchses mit dem vergleiche, was ich früher gemacht habe, komme ich ins Grübeln.

Was macht die Jugend anders als der junge André Lange?

LANGE: Wir haben einen gewissen Perfektionismus an den Tag gelegt. Stundenlang haben wir am Schlitten gewerkelt. Ein Stück weit fehlt das der Jugend. Es fehlt das Physikwissen aus der Schule, das für unseren Sport enorm wichtig ist. Sonst versteht man nicht, was beim Bobfahren überhaupt passiert.

WILHELM: Ich finde es schlimm, nach der achten Klasse aufzuhören und sich nur noch um Sport zu kümmern. Ich hatte Erfolg, aber ich kann und möchte nicht den Rest meines Lebens davon leben. Für mich ist es wichtig, einen Beruf zu haben.

Können Sie sich vorstellen, sich selbst um die Bob- und Biathlontalente zu kümmern?

WILHELM: Reizen würde es mich, aber generell stand der Trainerposten für mich nicht zur Debatte. Ich will mal Familie haben und ein gesetztes Leben führen, da kann ich nicht die ganze Zeit in der Gegend umherreisen.

LANGE: Die klassische Version der Trainerkarriere schließe ich auch generell aus. Das ist nicht das, was ich will, kann und möchte. Dazu braucht man Diplomatie. Ich habe in meiner Denkweise ein gewisses Level erarbeitet und für mich ist es schwierig, da runterzukommen.

Wo wird man Sie dann künftig sehen?

LANGE: Über kurz oder lang werde ich mein Wissen in den Verband einbringen, aber eher in einer übergeordneten Rolle. Jetzt fange ich erst mal mein Studium an. Danach sehen wir weiter.

Frau Wilhelm, Sie fangen als Fernsehexpertin der ARD an.

WILHELM: Ja, ich habe deswegen Praktika in dem Bereich gemacht. Mein Studium verfolge ich trotzdem weiter, aber erst mal freue ich mich, Biathlon so weiterverfolgen zu können.

Das Gespräch führte Katrin Schulze.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false