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Sport: Wenn Not am Mann ist, hütet der 45-Jährige auch das Oberliga-Tor

Pönitz am See ist kein schlechter Ort, um Urlaub zu machen. Am Rande der Holsteinischen Schweiz gelegen, einen Wasserskilift gibt es in den Gewässern in der Nähe.

Pönitz am See ist kein schlechter Ort, um Urlaub zu machen. Am Rande der Holsteinischen Schweiz gelegen, einen Wasserskilift gibt es in den Gewässern in der Nähe. Und noch einen Vorteil hat der stille Ort: Er liegt nicht weit entfernt von Pinneberg. So circa 80 Kilometer.

Pinneberg wiederum ist nicht so schön gelegen, ist eher ein architektonischer Gesamtirrtum. Dass dort jemand Urlaub macht, ist nahezu ausgeschlossen. Aber dazu ist die Stadt ja auch nicht da, eher schon zur Weiterbildung von Pflanzen. Im Kreis Pinneberg gibt es mehr Baumschulen als Grundschulen. Am Sonnabend ist der Torhüter Uli Stein nach Pinneberg gekommen. Und zwar auf dem schnellsten Weg von Pönitz am See, seinem Urlaubsort, nach Pinneberg, Stadion 1, direkt neben dem Kreiskrankenhaus, die Spielstätte des VfL Pinneberg. Fußball-Oberligist mit Torwartproblemen. Der Stammtorwart Henning Butt, Bruder des HSV-Keepers Hans Jörg Butt, ist verletzt, der Ersatztorwart ebenso. Blieb das Verspechen von Uli Stein an Detlef Kebbe, seinem Freund und Manager des VfL, auszuhelfen, wenn Not am Tormann sei.

Am Sonnabend nun feierte Uli Stein, 45, dortselbst ein Comeback. Von weitem sah er noch genauso aus wie früher, nur als er durch den schmalen Gang von der Umkleide durch die beiden Kassenhäuschen geht, sieht man ein paar Falten mehr in dem bekannten Gesicht. Der Pinneberger an sich gibt sich verhalten, statt knapp 500 Zuschauern im Schnitt, sind es diesmal vielleicht 100 mehr, die sich insgesamt dann wie 400 aufführen. Andererseits sitzen gut zehn Fotografen am Spielfeldrand, wo sonst höchstens einer unschuldige Grashalme ablichtet. Zwei Kamerateams beobachten ihn, und nach Spielschluss gibt es eine richtige Pressekonferenz mit Kaffee und Mamas selbstgebackenem Marmorkuchen.

Das wichtigste vorweg: Uli Stein hat niemanden gehauen, der sich in den Fünfmeterraum gesetzt hat. Hat aber auch keiner gemacht. Er hat sich nicht beim Elfmeter an den Pfosten gestellt, um seine Ungnade über diese Entscheidung klarzumachen, wie er es früher gern mal gemacht hat. Elfmeter gab es nicht. Er hat auch nicht absichtlich den Ball reingelassen, um seine Mitspieler aufzurütteln. Das war nicht nötig. Erst recht hat er sich nicht mit dem Schiedsrichter angelegt, vielmehr hat er ihn freundlich lächelnd in der Pause in ein Gespräch verwickelt.

In der ersten Halbzeit gegen den Eichholzer SV sucht er die eine oder andere Rückgabe sachgerecht aus dem Gras, wickelt Abstöße routiniert ab, und als einmal ein Kopfball auf sein Tor fliegt, sinkt er in die Knie und fällt mit dem Ball ins Netz. Sah nicht so gut aus, war aber auch nicht entscheidend, Pinneberg führte bereits 2:0 und zum Schluss hieß es 3:1. Halbzeit zwei hätte auch ein Pächter der zahlreichen Tankstellen in der Umgebung bestreiten können, es passierte eigentlich nichts. Drei Monate früher wäre er wohl zwischen den Pfosten erfroren, so hielt er sich am Strafraum hockend warm, in dem er genau wie früher dann und wann in seine Handschuhe spuckte und sie hernach aneinander rieb.

Sonst keine besonderen Vorkommnisse. Bis auf eines. Direkt nach dem Tor hat sich der Eichholzer Schütze entschuldigt, jedenfalls hat er Stein sofort die Hand geschüttelt. Dergleichen sieht man sehr selten. Aber es war quasi postum exakt die Art von Respekt, die Uli Stein im Lauf seiner Karriere immer erwartet und selten bekommen hat. Wenn ihm schon einer einen reinhaut, soll er sich wenigstens dafür entschuldigen. Hiermit schlagen wir den Torschützen Hasko Behrens für den Fairplay-Preis des DFB vor. Irgendwie hat Uli Stein in Pinneberg doch noch sein Abschiedsspiel bekommen. Vielleicht werden es ja noch mehr.

Johannes Taubert

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