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Sport: Wer wird Mister X?

Obwohl er immer noch das Gegenteil behauptet, steht Joachim Löws EM-Kader längst fest – lediglich ein Platz ist noch zu vergeben

Robert Huth hat sich in dieser Woche nicht besonders lange im Kreis der Nationalmannschaft aufhalten dürfen, doch schon sein kurzer Besuch hat gereicht, um zumindest Marcell Jansen nachhaltig zu beeindrucken. Wobei es weniger um die Person Huth geht als um eine grundsätzliche Frage. Dass der fast vergessene Innenverteidiger nach beinahe zwei Jahren wieder in die Nationalmannschaft berufen wurde, wertete Jansen als Beweis dafür, dass Bundestrainer Joachim Löw keine speziellen Lieblinge hat, sondern jeder Spieler eine faire Chance erhält. „Robert hat gezeigt, dass man durch Leistung jederzeit wieder zurückkommen kann“, sagt Jansen. Wenn er sich da mal nicht täuscht.

Im Grunde folgt Jansen damit nur der Linie, die Löw seit Monaten stetig vorgibt: dass die Tür zum Kader für die Europameisterschaft im Sommer immer noch allen Bewerbern offen steht. Mannschaftskapitän Michael Ballack sagt sogar: „Die Vergabe war lange nicht mehr so offen wie im Moment.“ Doch bei solchen Aussagen handelt es sich wohl eher um ein Täuschungsmanöver für die Öffentlichkeit.

Fünfzig Tage sind es noch, bis Löw am 16. Mai auf der Zugspitze sein EM-Aufgebot bekannt geben wird; doch so wie es aussieht, stehen die Auserwählten bereits jetzt so gut wie fest. Es sind die 20 Spieler, die auch für das Länderspiel gegen die Schweiz in Basel (bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe noch nicht beendet) nominiert waren. Hinzu kommen Christoph Metzelder und Torsten Frings, die nach ihren Verletzungen zwar noch um Anschluss ringen, allen Unwägbarkeiten zum Trotz aber bei Löw fest eingeplant sind. Macht 22 Spieler, bleibt ein freier Platz im Kader – und als letzte offene Frage: Wer wird Mister X?

Könnte es wieder einen Überraschungskandidaten geben, so wie David Odonkor bei der WM 2006? Der Name des 18 Jahre alten Toni Kroos vom FC Bayern wurde in diesem Zusammenhang bereits genannt. Doch zum einen lässt sich ein solcher Coup nicht wiederholen, weil eine Überraschung ihrem Wesen nach nur dann eine Überraschung ist, wenn niemand sie erwartet. Zum anderen passt er nicht zu Joachim Löw.

Seit seinem Amtsantritt nach der Weltmeisterschaft im August 2006 hat Löw 38 Spieler eingesetzt, darunter 16 Debütanten; kurz vor seinem ersten Turnier als Bundestrainer aber reduzieren sich alle Personalfragen auf ein Duell um den wohl letzten freien Platz im Mittelfeld: der etablierte Tim Borowski gegen den aufstrebenden Jermaine Jones. Der Schalker Jones feierte zusammen mit seinem Vereinskollegen Heiko Westermann beim bisher letzten Länderspiel in Wien Anfang Februar seine Premiere im Trikot der Nationalmannschaft. Kurz darauf hatte Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff gesagt, dass man beim Spiel in der Schweiz eine Mannschaft aufstellen möchte, „die mit ihrer Qualität der EM schon recht nahe kommt“.

Oliver Bierhoff war es auch, der den Auftritt in Wien als Warnung und Ansporn für die Nationalspieler verstanden wissen wollte: „Ich glaube, jeder hat gesehen, dass die EM und dabei auch das EM-Spiel gegen Österreich kein Spaziergang werden.“ In Bezug auf die Kadernominierung Mitte Mai ließ er keinen Zweifel aufkommen. „Alle Maßnahmen und Entscheidungen werden einzig und allein darauf abzielen, die Leistung der Mannschaft zu optimieren“, sagte Bierhoff. Was der Bundestrainer sich vornimmt und was er von den Spielern verlangt, werde er auch durchziehen. „Er wird auch vor unpopulären Maßnahmen nicht zurückschrecken, wenn diese für den Erfolg wichtig sind.“

Dass die Auserwählten seit dem Osterwochenende so gut wie fest stehen, ist das eine. Der Bundestrainer hat aber bereits in Basel angekündigt, dass er in den verbleibenden Wochen sehr genau hinschauen werde, wie jeder einzelne Spieler sich entwickelt und wie er gewisse Defizite abzustellen versucht. Die Gruppe solle von „positiven Leuten geprägt sein“, sagte Löw, aber: „Grundsätzlich gilt, dass die Leistung über der Harmonie steht.“

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