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Klasnic

© ddp

Werders Ivan Klasnic: Momente, die bleiben

Nach seiner Nierentransplantation wirkt Ivan Klasnic gereift und spielt wieder glanzvoll - wie sein Verein Werder Bremen.

Es war eine theatralische Szene, aber etwas anderes wäre sicher auch nicht angemessen gewesen. Als sich Ivan Klasnic nach seinem ersten von zwei Treffern auf beide Knie auf den Rasen hockte, die Hände faltete und demütig den Kopf senkte, da fühlte jeder Mitspieler und wohl auch jeder Zuschauer im Bremer Weserstadion mit ihm. Dass Landsmann Jurica Vranjes liebevoll seinen Kopf tätschelte, nahm Klasnic dabei nur in Trance war. „Ich habe fünf Sekunden gebraucht, um das alles zu fassen“, erzählte er später. Der kroatische Stürmer erlebte zum Ende der Bundesliga-Hinrunde nicht nur einen furiosen Tag beim furiosen 5:2-Sieg der Bremer im Spitzenspiel gegen Bayer Leverkusen, er lieferte auch eine vorweihnachtliche Geschichte, die in der Liga ihresgleichen sucht.

Nach einer erst im zweiten Anlauf geglückten Nierentransplantation hatte der 27-Jährige erst vor drei Wochen bei Energie Cottbus sein Comeback gefeiert, nun bestritt er sein zweites Spiel von Beginn an und sein erstes im eigenen Stadion seit genau einem Jahr. Und was für eines: Der Kroate mit dem Feingefühl im linken Fuß war bester Mann auf dem Platz, staubte zum 1:1 ab, vollstreckte zum 4:1 und legte für Sturmpartner Markus Rosenberg das 5:1 auf. Nur beim 2:1 von Diego und dem 3:1 von Clemens Fritz hatte der stets präsente Klasnic nicht seine Füße im Spiel. Die Auswechslung nach 85 Minuten animierte das Publikum zu stehenden Ovationen und nicht enden wollenden „Ivan, Ivan“-Rufen.

„Ich habe gelernt, was wirklich wichtig ist“, sagte Klasnic nach dem Abpfiff sichtlich bewegt. „Ich kann meine Freude gar nicht beschreiben.“ Mit einem versonnenen Blick erzählte er, dass er mit seinem Kampf für die Genesung anderen Menschen ein Vorbild sein wolle und wie froh er überhaupt sei, morgens gesund aufstehen „und das tun zu können, was mir am liebsten gefällt“. Nämlich gut Fußball zu spielen, möglichst sogar bei der Europameisterschaft im kommenden Sommer. „Toreschießen ist für Ivan wie Fahrradfahren, er hat es nicht verlernt“, freute sich Werders Sportchef Klaus Allofs. „Und er geht jetzt viel bewusster mit seinem Körper um, vielleicht wird er nun noch besser als vor seiner Operation.“

Wille und Entschlossenheit, die Klasnic bei seinem wundersamen Comeback bewies, stehen symbolhaft für die Bremer Nehmerqualitäten einer wechselvollen Halbserie, die sich durch einige glanzvolle Siege trotz einer langen Verletztenliste auszeichnete. Logisch, dass der Matchwinner nach dem Spiel das Wort führte. „Wir sind jetzt Vize-Herbstmeister“, sagte Klasnic, „aber wir brauchen um nichts drum herumzureden: Nur einer wird Meister, und das sind wir.“ So ist er eben: forsch auf dem Platz, kühn außerhalb. Obwohl er gereifter und nachdenklicher wirkt als vor seiner Erkrankung, hat sich der gebürtige Hamburger im Grunde nicht verändert. „In der Kabine hört man immer nur einen“, verrät Allofs, „und das ist damals wie heute Ivan.“

Der Sportdirektor zählt zu jenen, die mit Klasnic schon oft im Clinch lagen. Da war der Streit, ob die medizinische Abteilung des Vereins bei der langwierigen Erkrankung etwas hätte verhindern können (was der Bremer Nierenspezialist Arno- Ekkehard Lison erst behauptete, dann aber zurücknahm); da war das Verbot des Spielers über seinen Anwalt, die Diagnose lange geheim zu halten. Beides produzierte Unmut im Binnenverhältnis. Und schlussendlich saßen sich Allofs und Klasnic auch bei Vertragsverhandlungen schon mal mit konträren Ansichten gegenüber – einen Berater hat Werders Angreifer nämlich nicht.

Nun wird es vermutlich während des Januartrainingslagers im türkischen Belek erneut zu Gesprächen kommen. Weil schließlich niemand wusste, ob der Fußballprofi, der sein Leben lang Medikamente nehmen muss, die das Abstoßen der Spenderniere verhindern, überhaupt zurückkehren würde, wurde im Sommer nur ein Einjahresvertrag aufgesetzt. Nun wird man über einen neuen Kontrakt reden. Allofs ist dazu bereit: „Ich hoffe, dass die Verbindung Werder und Klasnic noch lange hält.“

In Bremen hat sich die Sicht auf Klasnic geändert. „Schon vor diesem Spiel war Ivan Klasnic ein vollwertiges Mitglied unserer Mannschaft“, sagte am Wochenende Trainer Thomas Schaaf. Doch noch im Sommer hat auch er nicht an solch ein Comeback geglaubt: Auf der Meldeliste für die Spiele der Champions League fehlte schließlich der Name des Spielers, dessen Geschichte ein Stück Bundesliga-Historie wird.

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