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Goldene Runde. Betty Heidler hatte in Barcelona den Dreh raus. Foto: AFP

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Sport: Werfen ist Gold

Betty Heidler wird Europameisterin im Hammerwurf – weil die Weltmeisterin von 2007 nach einem Tief viel abgeklärter geworden ist

Tatjana Lysenko machte den Vorklatscher. Sie blickte zu den Zuschauern und animierte sie zum Applaus. Dann ließ sie sich von einem Helfer einen Hammer reichen und marschierte entschlossen in den Ring. Rhythmisches Klatschen begleitete sie. Zehn Meter weiter ging Betty Heidler weg vom Ring, Lysenko rotierte jetzt hinter ihrem Rücken. Der entscheidende Moment. Die letzte Chance für die Russin. Wenn sie jetzt, in ihrem letzten Versuch, kontern könnte, dann müsste Betty Heidler um ihre Goldmedaille fürchten. Noch lag sie im Finale des Hammerwerfens bei der Leichtathletik-EM in Barcelona mit 76,38 Metern in Führung. Aber Lysenko war Titelverteidigerin, sie hat eine Bestweite von 77,80 Metern.

Drehung, Abwurf, der Hammer von Lysenko bleibt im Netz hängen. Betty Heidler aus Frankfurt am Main ist in diesem Moment Europameisterin. Fröhlich reißt sie die Hände in die Höhe. Die 76,38 Meter sind Saisonbestleistung für die Vize-Weltmeisterin.

„Ich bin total happy und total zufrieden“, sagte sie hinterher. „Ich hatte den ganzen Tag den Wettkampf im Kopf und freue mich, dass ich gewonnen habe.“ Andererseits hatte die 26-Jährige eigentlich nur ihr Plansoll etwas übererfüllt. „Ich will mindestens Zweite werden“, hatte sie vor der EM in Barcelona erklärt. Das entsprach ihrem Selbstverständnis. Für sie war das eine Aussage, als würde sie beim Bäcker ein Vollkornbrot verlangen. Sie hatte ihre Form taxiert, ihre bisherige Saisonbestweite (75,82 Meter), für sie basierte der Satz auf einer fast mathematisch-nüchternen Berechnung.

Die Zeiten, in denen Betty Heidler nervös auftrat, in der sie hohe Ziele ohne innere Ruhe verkündete, die liegen immer länger zurück. Sie hat zu viele Erfahrungen durch. Nach dem WM-Sieg 2007 nahm sie alle Auszeichnungen und Ehrungen mit, getrieben von der Angst, so viele Einladungen blieben ein Einzelfall. Sie musste hart dafür büßen. Das Training litt, die Leistungen litten, die Psyche litt.

Inzwischen ist sie erheblich abgeklärter. „Durch meine Erfahrung habe ich viel Ruhe gewonnen“, sagte sie nach dem Triumph in Barcelona. Nach ihren beiden besten Würfen winkte sie entspannt ins Publikum. Diese Ruhe hat sie immer wieder getestet, etwa wenn Leute aus der Umgebung ihres Trainingsorts plötzlich auftauchten. Sie registrierte die Besucher mit beiläufigem Blick, ansonsten ließ sie sich nicht beeinflussen. „Meine mentale Stärke hat sich von Jahr zu Jahr mehr entwickelt, das verschafft einem Selbstbewusstsein“, sagte sie. Irgendwelche Psychospielchen ihrer Konkurrenten nimmt sie einfach nicht mehr so ernst.

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