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Wettbetrug: "Eine Bedrohung für die Glaubwürdigkeit des Sports"

Ein neuer Wettskandal bedroht den europäischen Fußball. Der Kriminologe Wolfgang Hetzer erklärt im Interview mit Tagesspiegel.de welche Rolle die Geldwäsche dabei spielt und ob es eine wirksame Zusammenarbeit, wie von Uefa-Funktionären gewünscht, mit Europol geben kann.

Herr Hetzer können Sie kurz erklären, wie die Geldwäsche im Zusammenhang mit den Wettmanipulationen von statten geht?

Bei der Geldwäsche kommt es darauf an, dass sie die illegale Herkunft der Mittel verschleiern. Es wird also Geld, das von Einnahmen aus dem Drogenhandel, der Prostitution oder dem Waffengeschäft stammt, in den legalen Geldverkehr eingespeist. Beim Spiel im Casino über Wetten bis hin zu buchstäblich allen Möglichkeiten, die im Wirtschaftsleben vorkommen, ist es möglich, diesen Verschleierungseffekt zu erzielen. Dazu gehören auch verlustträchtige Geschäfte, man muss also auch mit einem Werteschwund rechnen.

Den Leuten, die Wetten manipulieren, geht es demnach nicht immer nur darum, hohe Gewinne einzustreichen, sondern auch Geld aus kriminellen Geschäften dort wieder einzusetzen?

Richtig, das ist das Wesen der Geldwäsche. Man steigt dabei in bargeldintensive Geschäfte ein, wie zum Beispiel in Restaurants. Inzwischen hat sich die Geldwäscheszenerie sehr stark verändert und auch die Art der Vortat hat sich gewandelt. Der bargeldintensive Rauschgifthandel in den USA war historisch gesehen der Anfang des Ganzen.

Ist die asiatische Wettmafia eine ernsthafte Bedrohung für den Profisport?

Es ist eine Bedrohung für die Glaubwürdigkeit des Sports. Mit den Wetten und den einhergehenden Manipulationen wird die Leistung der Sportler nach Maßgabe betrügerischer Ausbeutbarkeit behandelt. Das ist eine Demütigung für den Leistungssportler. Im sportlichen Wettkampf soll eine ehrliche Leistung erbracht und nicht betrogen werden. Durch die Manipulation gerät dies alles in Gefahr, eine Gefahr, die auch durch das Internet vergrößert wird. In den letzten Jahren habe ich beobachtet, dass Geldwäsche vermehrt über das Internet stattfindet, also auch Wetteinsätze dort laufen. Es dient als globales Casino und ist durch seine technischen Möglichkeiten ein beträchtliches Risiko. Das Wetten auf Sportereignisse ist durch seine hohe Anzahl an Akteuren und seine Vielzahl von Wettangeboten ein lukratives Geschäft. Auch bei kleineren Einsätzen werden attraktive Gelegenheiten geschaffen. Es gibt viele Leute, die sich für Fußball interessieren. Es entwickelt sich daraus ein Massenphänomen und ein Multiplikator-Effekt. Jeder glaubt, bei dieser Vielfältigkeit Glück zu haben. Die Gestaltungsmöglichkeiten sind einfach, das Verführbarkeits-Potential ist hoch, Spielleidenschaft kann sich zu einer Sucht verdichten. Das sind alles Umstände, die ein kriminelles Potential haben.

Die Uefa überlegt, das Problem der Wettmanipulation auf die Agenda der europäischen Polizeibehörde Europol zu bringen. Glauben Sie, dass dies etwas bringt?

Das wird wenig Erfolg haben. Ich war ehrlich gesagt etwas verblüfft, als ich das gehört habe. Bei dem gegenwärtigen rechtlichen Rahmen kann ich mir nicht vorstellen, wie dort Entwicklungsaktivitäten entfalten werden sollen. Europol ist als Behörde nicht zu vergleichen mit einer nationalen Polizei. Sie ist in ihren Befugnissen auf koordinierende und unterstützende Aufgaben beschränkt. Sie ist im Rechtsinne keine echte Polizei, weil die Souveränität nach wie vor bei den Mitgliedsstaaten liegt, auch wenn in der Praxis die Kooperation erfreulich weit gediehen ist. Die Leute glauben immer, wenn sie Europol oder Interpol hören, müssen sie in Ehrfurcht erstarren und es wird alles gut, was natürlich dummes Zeug ist.

Spielmanipulationen gibt es schon seit Jahrzehnten. Ist der Ruf der Fußball-Funktionäre nach einem Schulterschluss mit Europol oder der Ruf nach einer grenzübergreifenden Sportpolizei nicht purer Aktionismus?

Wenn solche Dinge an die Öffentlichkeit geraten, ist die erste Reaktion von Funktionären Geschlossenheit zu demonstrieren. Und dazu gehören gewisse Showeffekte, das ist auch legitim. Dann muss aber Arbeit an der Struktur und in der Struktur geleistet werden, es müssen die tatsächlichen Verhältnisse eruiert und Risiko-Analysen erstellt werden. Da ist es nicht mit einem flotten Funktionärsspruch getan.

Was kann denn konkret gegen den Wettbetrug unternommen werden?

Man sollte vor allem präventiv tätig werden, und den Menschen erklären, den Sport nicht in Anspruch zu nehmen, um ihren Wettambitionen nachzukommen und leichtes Geld zu erwerben, sondern den Sport als solchen zu genießen. Ich weiß, das ist eine blauäugige Forderung, aber Veränderungen fangen immer mit Erziehungsmaßnahmen an. Wenn außerdem die Nachfrage nach solchen Wetten nicht vorhanden ist, nützen die kriminellsten Angebote nichts.

Das Kind ist doch schon in den Brunnen gefallen, und wir können das Wettrad nicht mehr zurück drehen…

Im Extramfall könnte eine Art Prohibitions-Strategie verfolgt werden, die Glücksspiele dieser Art schlicht und einfach verbietet oder die Konzessions- und Kontrollverfahren verschärft. Ein fertiges Konzept zur wirksamen Bekämpfung habe ich natürlich auch nicht in der Tasche.

Wie könnten denn verschärfte Kontrollen aussehen?

Es sind verschiedene Ansätze denkbar. Das reicht von der Erhöhung der Transparenz, um Vergleichbarkeit zu ermöglichen, also Offenlegung von bestimmten Voraussetzungen unter denen das Geld eingezahlt wurde, Zwischenberichte und Begrenzung der verschiedenen Wettangebote.

Das Interview führte Matthias Bossaller

Wolfgang Hetzer (56) ist Berater des europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF) in Brüssel und vor allem zuständig für die Korruptions-Bekämpfung. Der frühere Referatsleiter im Bundeskanzleramt ist Autor des Buches "Tatort Finanzmarkt", das die Geldwäsche zwischen Kriminalität, Wirtschaft und Politik schildert.

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