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Vancouver 2010 - Ski alpin

© dpa

Wettkampf des Tages: Erst reden, dann rasen

Stephan Keppler fehlte lange Zeit das "Rennfahrer-Gen". Jetzt träumt er von einer Sensation: einer Medaille in der olympischen Abfahrt.

Sie haben dann halt mal gesprayt, was sollten sie auch sonst tun? Die Herren vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) hatten streng, wie sie nun mal sind, gefordert: Die Rennanzüge der deutschen Alpin-Nationalmannschaft müssen geändert werden, ob mit Farbstift oder Spray, egal, Hauptsache man kann das alte Muster nicht sehen. Sie waren sich nicht sicher, die Kontrolleure, ob man das Logo des Ausrüsters erkennt. Denn Werbung ist bei Olympischen Spielen verboten, streng verboten. Also griff ein Betreuer zur Spraydose, schon hatte auch Stephan Keppler ein neues Outfit.

Das lässt er über sich ergehen wie Wind und Regen. Soll er sich über so einen Kleinkram aufregen, ausgerechnet in Whistler? Er ist bei Olympischen Spielen, das ist für ihn das Wichtigste. „Ein Traum ist in Erfüllung gegangen“, hatte er vor dem Abflug nach Kanada gejubelt.

Wurde ja langsam auch mal Zeit, hatten die Trainer gesagt, etwas leiser als Keppler, aber deutlich genug. „Manchen geht das Rennfahrer-Gen ab“, hatte Karlheinz Waibel, der Cheftrainer der deutschen Herren, im Herbst 2009 gesagt. Er hatte dabei auch an Keppler gedacht, den Mann aus Ebingen, der keine Ergebnisse erzielte. Oder jedenfalls nicht mehr. Er war zwei Mal im Weltcup Achter geworden, nur war das schon drei Jahre her.

Aber dann kam Kitzbühel, der Super-G im Januar. Keppler trug die Startnummer 46, aber er fuhr auf Rang 14. Damit hatte er sich für Vancouver qualifiziert. Und jetzt träumt er vom Medaillengewinn. In der Abfahrt in erster Linie, Keppler ist eigentlich Abfahrt-Spezialist.

Er ernährte sich, wie es ihm gerade passte, und schlappte auch mal mit nassen Haaren in die kalte Winterluft

Die Geschichte mit der Medaille bezeichnet er natürlich wirklich als Traum. Er ist Außenseiter heute in der Abfahrt (wenn sie denn wegen der Wetterkapriolen stattfindet), aber andererseits sieht er sich nicht so sehr als Mitläufer wie andere ihn sahen. „Die Technik im Training hat gestimmt“, sagt er, „aber die Ergebnisse waren nicht da.“ Tja, das war das Problem. Aber das Problem hat er jetzt besser im Griff. Durch einen Zufall, das räumt er ein. Er hatte irgendwann mal in dieser Saison die Schuhe gewechselt, plötzlich spürte er, dass er in denen viel besser stand als in den alten. „Wenn bei einem Formel-1-Auto das Setup nicht stimmt, ist auch ein Schumi nicht schnell“, sagt Keppler.

Korrekt, nur hat er vergessen zu erwähnen, dass bei seinem Setup nicht bloß der Schuh das Problem war. Waibel hatte schon einen Grund für seine Skepsis. Der Rennfahrer Keppler hatte seine eigene Definition von profihaftem Verhalten. Er ernährte sich, wie es ihm gerade passte, und schlappte auch mal mit nassen Haaren in die kalte Winterluft. Das größte Problem aber hieß Ebingen. Ebingen liegt auf der rauen schwäbischen Alb, dort gelten zwei vollständige Sätze als Schleimerei. „Er ist nicht so sehr kommunikativ“, sagte Waibel. „Aber wir können nichts verbessern, wenn einer nicht redet und Probleme anspricht.“

Stephan Keppler sagte nicht viel zu den Serviceleuten, aber das hat sich jetzt gebessert. Keppler redet jetzt mehr als früher. Er sagt sogar, dass er zu den Leuten gehört, die auch mal ein Rennen gewinnen können, mit Glück natürlich.

Aber Waibel gefällt das, so muss einer auftreten, der das „Rennfahrer-Gen“ haben könnte. Genügend Selbstsicherheit hat der 26-Jährige jedenfalls, zumindest, wenn er mit Kumpels in der Freizeit auf der Skipiste ist. Dann lässt er es so richtig krachen, dann jagt er zwischen den Hobby-Fahrern und blutigen Anfängern, die unkalkuliert ihre Schwünge setzen, ins Tal. „Das macht mir viel Spaß“, sagt er. Er meint die Geschwindigkeit, er meint nicht den Schock, den die anderen erleiden. „Ich beobachte schon alles genau. Umgefahren habe ich noch keinen.“

Aber jetzt gelten andere Regeln, jetzt ist er bei den Olympischen Spielen. Doch selbst da sind sie manchmal zu streng, die Menschen, die diese Regeln überwachen. Die ganze Sprayerei hätten sie sich in Whistler jedenfalls sparen können, die Deutschen. Die IOC-Kontrolleure stellten, etwas sehr spät, fest, dass auf dem ursprünglichen Anzug kein Sponsorenlogo zu sehen war.


Ski alpin, Abfahrt Männer, geplanter Start: 19.30 Uhr, live in der ARD.

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