zum Hauptinhalt

Sport: Wie einst sein Idol

Von Benedikt Voigt London. Bevor Lleyton Glynn Hewitt zum letzten Mal aufschlug, blickte er noch einmal auf die Anzeigetafel.

Von Benedikt Voigt

London. Bevor Lleyton Glynn Hewitt zum letzten Mal aufschlug, blickte er noch einmal auf die Anzeigetafel. Als Sechsjähriger hatte er irgendwo in Australien bei seinen Großeltern das Wimbledon-Finale gesehen, hatte live mitverfolgt, wie sein Idol Pat Cash gegen Ivan Lendl als letzter Australier das wichtigste Tennisturnier der Welt gewonnen hatte. Und nun stand er selber auf diesem berühmten Rasen, hörte die Anfeuerungsrufe der australischen Zuschauer – und führte. Er konnte es nicht fassen, musste noch einmal den aktuellen Stand auf der Anzeigetafel sehen. „Ich wollte sehen, ob das wirklich real ist, ich wollte sehen, ob ich die erste Runde spiele oder das Finale“, sagte Hewitt, „außerdem wollte ich mich nicht zu früh freuen.“ Einige Sekunden später lag er auf dem Rücken und reckte den Tennisschläger triumphierend in die Höhe.

„Eigentlich müsste ich jetzt zurücktreten“, sagte Hewitt. Er hatte gegen den argentinischen Wimbledon-Debütanten David Nalbandian 6:1, 6:3, 6:2 gewonnen und damit erstmals das Grand-Slam-Turnier von Wimbledon für sich entschieden. Hewitt ist die Nummer eins der Welt und übernimmt am Montag auch die Führung im Champions Race der Herrentennisvereinigung ATP – und das mit 21 Jahren. „Es kann fast nicht besser werden“, meinte Hewitt. Man kann auch auf englischem Rasen fast nicht besser spielen als der Australier in den vergangenen zwei Wochen. Lediglich im Viertelfinale gegen den Niederländer Sjeng Schalken hatte er zwei Sätze abgegeben. Der entscheidende Sieg war ihm im Halbfinale gegen den englischen Hoffnungsträger Tim Henman gelungen. „Da habe ich mein bestes Tennis gespielt.“ Im Finale musste sich Hewitt nicht so sehr mühen. So gehörte die spektakulärste Szene des Finales einem Flitzer, der nach der ersten Regenpause minutenlang auf dem Centre Court posierte und erst mit einiger Anstrengung eingefangen werden konnte. Dem Endspiel hingegen fehlten die außergewöhnlichen Momente.

Überraschungsfinalist David Nalbandian hatte das erste Grand-Slam-Finale seiner Karriere mit einem Doppelfehler begonnen und kam erst nach der Regenpause ins Spiel. 1:6, 0:1 stand es zu diesem Zeitpunkt bereits. Nach einem Break holte er zwar noch zum 3:3 auf, doch die nächste, 35-minütige Regenpause verhinderte ein ausgeglicheneres Spiel. Als Hewitt auf den Platz zurückkam, nahm er dem Argentinier den Aufschlag ab und gewann auch den zweiten Satz. Gegen die starken Vorhandschläge des Australiers, der insgesamt 30 unerreichbare Schläge verzeichnete, wusste Nalbandian kein Gegenmittel. Auch wirkte der Titelfavorit konzentrierter und motivierter. Nach dem vorentscheidenden Break im dritten Satz zum 3:2 ballte er die Faust und zeigte mit dem Finger auf die Zuschauertribüne, wo seine Freundin Kim Clijster, sein Coach und die Eltern saßen. Nalbandian hingegen haderte mit dem Schiedsrichter wegen einer höchst umstrittenen Entscheidung.

Nicht nur war das Finale einseitig, es hatte auch eine neuen Charakter. Nach dem Serve-und-Volley-Spektakel des vergangenen Jahres zwischen Goran Ivanisevic und Patrick Rafter standen sich plötzlich zwei Grundlinienspieler gegenüber. So kam es immer wieder zu längeren Ballwechseln, an deren Ende jedoch zumeist Hewitt den Punkt machte. Kein einziger Punkt im gesamten Endspiel wurde dadurch erzielt, dass ein Spieler nach seinem Aufschlag ans Netz ging. „Ich glaube, ich wollte einmal im gesamten Turnier einen Punkt durch Serve-and-Volley machen“, erinnert sich Hewitt, „aber schon der Aufschlag ging ins Netz.“ Hewitt fühlt sich mit seinem emotionalen Spiel offensichtlich auch auf Gras wohl, in diesem Jahr hat er auf diesem Untergrund noch kein Spiel verloren.

Der Wimbledon-Titel ist nach dem US-Open-Gewinn im vergangenen Jahr erst der zweite Grand-Slam-Titel des Australiers in seiner Karriere. „Ich hoffe, dass ich noch ein paar mehr Titel in mir habe“, sagte Hewitt nach seinem Erfolg. Der 21-Jährige dürfte in den nächsten Jahren der Tennisspieler sein, über den der Weg zum Erfolg führt.

Schon vor einigen Monaten hatte Lleyton Hewitt geahnt, dass es sich lohnen könnte, in diesem Jahr zu den All England Championships nach Wimbledon zu fahren. „Es war nur so ein Gefühl, dass da irgendetwas passieren könnte“, erinnert sich Hewitt. Als der Australier gestern den goldenen Pokal in den Händen hielt, war es tatsächlich geschehen: Lleyton Hewitt ist der legitime Nachfolger von Pat Cash, seinem großen Idol aus Jugendzeiten.

NAME

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false