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Sport: Wie es wird

Jürgen Klinsmann will in München vieles ändern

Nick Theslof hat schon mal gesehen, wie das so ist, wenn sein neuer Arbeitgeber einen Titel gewinnt. Er war dabei, beim DFB-Pokalfinale in Berlin, und natürlich war er auch beim anschließenden Bankett. Da saß er also, zusammen mit anderen Angestellten des FC Bayern München, trank ein wenig Bier und sprach über, klar, Fußball und Fußballtraining: Nick Theslof, 30, US-Amerikaner, athletisch, wenn auch eher klein gewachsen, leicht gebräunte Haut – und der erste in München anwesende neue Angestellte, der vom neuen Trainer Jürgen Klinsmann geholt wurde. Seit 1. April ist Theslof, künftig Scout, in München, um sich einzuarbeiten. Öffentliche Aussagen mochte er noch nicht machen: Er wolle erst einmal „behind the scene“ schauen, sagte er. Und doch war in jener Nacht schon ein wenig zu spüren, wie es beim FC Bayern zugehen wird, wenn Klinsmann da ist: moderner, jünger, amerikanischer.

Seit die Bayern am 11. Januar dieses Jahres bekannt gegeben haben, dass Jürgen Klinsmann, der ehemalige Nationalstürmer und Nationaltrainer, neuer Chefcoach wird, ist Klinsmanns Name Teil des Alltags an der Säbener Straße. Erst neulich war wieder ein großes Foto in der Zeitschrift „Bunte“: Klinsmanns neue Heimat, die ehemalige Villa von Siemens-Chef Kleinfeld in Grünwald, 500 Quadratmeter groß.

Die Angestellten in sämtlichen Abteilungen des FC Bayern sind nervös. Schließlich weiß niemand so genau, wie alles so wird, wenn Klinsmann seine Arbeit aufnimmt, wen er noch einstellt, wen er noch entlässt. Bislang hat Klinsmann neben Theslof die Stelle des Teammanagers neu geschaffen und mit Christian Nerlinger besetzt, als Kotrainer den Mexikaner Martin Vasquez verpflichtet, den Physiotherapeuten und Fitnesstrainer Oliver Schmidtlein zurückgeholt, sowie Walter Junghans zum Nachfolger von Sepp Maier und Chef-Torwarttrainer befördert. Und natürlich sorgt jede seiner Personalentscheidungen für Aufsehen, sei sie auch noch so marginal: Aha aha, heißt es dann, schau an, der Klinsmann hat wieder einen Neuen geholt.

Die Bayern haben sich mit Jürgen Klinsmann einen hemdsärmeligen Revoluzzer geholt, einen, der bei seiner allerersten Trainerstation den DFB und mit ihm den deutschen Fußball umkrempelte – und der nun bei seiner ersten Vereinstrainerstation nicht weniger tun soll, als den nationalen Branchenführer zu internationalem Glanz verhelfen. Der Glanz ist zuletzt ein wenig abhanden gekommen, auch wenn die Bayern dieser Tage von einer „perfekten Saison“ sprechen. Trotz des Ausscheidens aus dem Uefa-Cup.

Spannend dürfte vor allem die Personalfrage auf dem Rasen sein: Die Bayern werden nicht müde zu betonen, dass eine ähnliche Star-Kauf-Offensive wie vor dieser Saison nicht zu erwarten sei. Den einen oder anderen interessanten Zukauf wird es aber dennoch sicherlich geben, Namen wie Mathieu Flamini (FC Arsenal) halten sich hartnäckig.

Die aufsehenerregendste Entscheidung, die Klinsmann bisher traf, war jene, das Training künftig weitgehend nicht öffentlich abzuhalten, das Klublokal „Insider“ zu schließen und dort stattdessen „Ruhezonen“ für die Spieler einzurichten. Die Boulevardzeitungen druckten sogleich zuhauf Kommentare erboster Fans. In der Münchner Arena feiern sie seitdem häufiger den aktuellen Cheftrainer Ottmar Hitzfeld mit Sprechchören. Es ist ein schweres Erbe, das Jürgen Klinsmann da antritt. Der ehemalige Bayern-Spieler Franz Roth hat vor kurzem gesagt: „Wenn Klinsmann die Champions League gewinnt, ist die ganze Aufregung schnell vergessen, wenn er keinen Erfolg hat, kriegt er sowieso Probleme.“ Damit traf Roth genau den Kern der Sache. Egal, was Jürgen Klinsmann ab Juli 2008 auch machen wird - er ist zum Erfolg verdammt. Vielleicht noch mehr als alle seine Vorgänger.

Michael Neudecker

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