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Sport: Wie in der Bezirksliga

Sprüche, Schläge, Tritte: Fifa reagiert auf Tumulte

Berlin - Der Mann hat nicht brutal zugetreten, alles Blödsinn. Das hat der Fußball-Verband brav über das WM-Organisationskomitee (OK) mitteilen lassen. „Zinedine Zidane habe die Kabinentür in Leipzig nicht beschädigt“, verlas Sprecher Gerd Graus eine Mitteilung der Franzosen und wies damit eine hübsche Anekdote zurück. Der Leipziger Stadionmanager hatte nämlich geprahlt, dass der französische Fußballstar seinen Fußabdruck in der Blechtür hinterlassen habe, weil er so sauer über seine Auswechslung war.

Den anderen brutalen Tritt dagegen hat es sehr wohl gegeben, das war kein Blödsinn. Und wahrscheinlich gab es noch mehr gewalttätige Szenen – nicht in der Kabine, sondern auf dem Rasen des Berliner Olympiastadions.

Der Mediendirektor des Weltverbandes Fifa, Markus Siegler, sprach sichtlich verärgert von „gewissen Turbulenzen“ und einem WM-Viertelfinale, „das in einem Drama endete“. Nach dem Elfmeterschießen, das die Deutschen gewonnen hatten, waren einige Argentinier völlig ausgerastet.

Der Ersatzspieler Leandro Cufre, der noch sein orangefarbenes Leibchen trug, hatte dem Deutschen Per Mertesacker mit voller Wucht und in Karate-Manier zwischen die Oberschenkel getreten. Mertesacker brach daraufhin schreiend auf dem Rasen zusammen, die Tumulte begannen. Die Spieler pöbelten sich an, der Mob schob sich über den Rasen hin und her, von einem Schlag auf den Kopf des Nationalspielers Bastian Schweinsteiger ist die Rede. Teammanager Oliver Bierhoff konnte nur mit großen Kraftanstrengungen seiner Nationalspieler zurückgehalten werden. Auch er wollte eingreifen.

Niederlagen gehören nun einmal dazu. An diesen simplen Fakt wollte auch Fifa-Präsident Sepp Blatter am Tag darauf noch einmal erinnern. „120 Minuten machen Fußball zum Drama, dann folgt das Elfmeterschießen, und der Fußball wird zur Tragödie“, sagte er der BBC. „Einer ist der Sieger, und einer ist der Verlierer. Im Fußball lernt man das Gewinnen, aber man muss auch lernen zu verlieren.“ Er sei „wütend“, sagte Blatter.

Die Fifa hat nach Angaben von Mediendirektor Siegler bereits mit der Auswertung von Spielberichten und Videos begonnen. Man werde nun „untersuchen, ob noch weitere Dinge Gegenstand eines Verfahrens werden könnten“, sagte er. Bestraft wird auf jeden Fall der Argentinier, der Mertesacker attackierte. Der slowakische Schiedsrichter Lubos Michel hatte Leandro Cufre, der gar nicht mitgespielt hatte, noch nach Spielende die Rote Karte gezeigt. Gegen Cufre, der als Auslöser der Tumulte gilt, werde auf jeden Fall ein Verfahren eingeleitet, „wie das bei jeder Roten Karte üblich ist“, sagte Siegler. Allerdings würden weitere Szene ausgewertet. Dies beziehe sich auch auf die deutschen Spieler, sagte Siegler. Es bestehe „eine gewisse Dringlichkeit“ in dieser Angelegenheit, da die Deutschen am Dienstag im Halbfinale gegen Italien antreten.

Begonnen hatte der Streit in gewisser Weise schon beim Elfmeterschießen, wenn auch nur verbal und mit Gesten. Die deutschen Nationalspieler berichteten hinterher von Provokationen auf Spanisch, die ihnen die Argentinier bei jedem Gang zum Elfmeterpunkt mit auf den Weg gegeben hätten. Als Tim Borowski seinen Elfmeter sicher verwandelt hatte, soll dieser dann in Richtung der Argentinier seinen Zeigefinger auf die Lippen gelegt haben. „Das hat die Jungs offenbar angekratzt“, sagte Michael Ballack. Solche Gesten wie die von Borowski kommen beim Fußball schon mal vor. Was sich daraus am Freitagabend entwickelte, ist allerdings WM-untypisch, das passiert eher mal auf einem Platz in der Bezirksliga. Vielleicht, so einer der Erklärungsversuche, entsprang der schlimme Tritt gegen Mertesacker auch nur einer Verwechslung: Mertesacker könnte das falsche Opfer gewesen sein, auch er ist blond und groß – wie Tim Borowski.

Oliver Bierhoff wurde von Fifa-Mediendirektor Siegler hinterher in Schutz genommen, was schon einiges über die ersten Videoauswertungen aussagt. Eigentlich hatte der Teammanager nichts auf dem Platz zu suchen. Aber nach so „einem Drama, nach so großen Emotionen“, sagte Siegler, sei es verständlich, wenn er hinzueile, um die Kollegen zu beglückwünschen – oder diese zurückzuhalten.

André Görke

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